Schriesheim im Bild 2023

14.06.2011

„Ein Ort des Trostes und des Dankes"

„Ein Ort des Trostes und des Dankes"

Eine Metallkapsel ließ ein Mitarbeiter (M.) in das Betonfundament – ganz zur Freude von Martin Hauss, Heidi Morath, Matthias Schärr und Hans Kratzert. Foto: Dorn

Stephanie Kuntermann

Schriesheim. Wer will schon gerne ein Schaf sein? "Wir haben heutzutage den Wunsch nach Autonomie", sagte Hans Kratzert. Weshalb das Bild von Jesus als gutem Hirten, das noch aus den Anfängen des Christentums stamme, heutigen Menschen fremd geworden sei. Trotzdem war der Pfarrer besonders beeindruckt von einer Kapelle im Odenwald, an deren Wand eine Landschaft mit Schafen und Hirten zu sehen war. "Dieser Ort strahlte eine besondere Ruhe und Geborgenheit aus", erinnerte sich das Vorstandsmitglied der Evangelischen Stadtmission. Als er 2009 pensioniert wurde, hatte Kratzert den Wunsch, in Schriesheim einen Ort zu schaffen, an dem sich die Menschen genauso geborgen fühlen können.

Die Kapelle "Zum Guten Hirten", deren feierliche Grundsteinlegung jetzt in der sozialen Heimstätte Talhof gefeiert wurde, war das Ergebnis verschiedener "Bettelbriefe", die Kratzert schrieb, denn er wollte zu seiner Pensionierung keine Geschenke, sondern lieber Spenden, um den Bau der Kapelle zu ermöglichen. 80 Einzelspender und Institutionen spendeten 10 000 Euro. Genug Geld für eine kleine Kapelle nach den Vorstellungen Kratzers und des Architekten Martin Hauss. Der entwarf die Form, deren Grundriss an eine Glocke erinnert, mit dem Altar an der schmaleren und dem Eingang an der breiteren Seite. In das Betonfundament wurde ein Loch eingelassen, breit und hoch genug für die Metallkapsel, die im Anschluss an die kleine Rede Kratzerts verschlossen wurde.

Wer sie einmal öffnet, dem fällt nicht nur die Ausgabe der RNZ vom Tag der Grundsteinlegung in die Hände, sondern auch eine Spenderliste und eine Aufzählung aller Helfer, die am Bau beteiligt waren. Nach dem Willen Kratzerts sind das Bewohner und Mitarbeiter des Talhofs. Denn, so Kratzert: "Es heißt in der Bibel, dass der Gute Hirte sein Leben für die Schafe lässt." Hintergedanke sei, dass niemand verloren gehen solle, was wiederum zu den Zielen der Evangelischen Stadtmission und des Talhofes passe. "Die Kapelle soll zu einem Ort der Begegnung mit dem Guten Hirten werden, zu einem Ort des Trostes und des Dankes", erklärte Kratzert. Gemeinsam mit Talhof-Leiterin Heidi Morath und seinem Nachfolger Pfarrer Matthias Schärr sprach Kratzert ein Gebet und versenkte die Kapsel an der Stelle, wo später einmal der Altar stehen soll.

Eingefasst wird er durch "Lichtbänder". Der leicht abgeschrägte Bereich darüber soll ebenfalls verglast werden. "Ich könnte mir das schön mit einer Bleiverglasung aus der Schlosserei des Talhofs vorstellen", sagte Hauss. Und weil das Gebäude traditionsgemäß nach Osten ausgerichtet wurde, fällt dann morgens das Sonnenlicht durch die Verglasungen. Auch am Abend bekommt das kleine Gebäude Sonnenlicht, werden doch die Türen an der Westseite verglast.

Drinnen soll es schlicht zugehen, mit einem geschliffenen Betonboden und hölzernen, von der Schreinerei gebauten Sitzbänken. Auch der Außenputz soll "neutral" gehalten sein, so der Architekt: "Wahrscheinlich in Weiß." Fehlt nur noch die Glocke, die an einem kleinen Gestell auf dem Dach angebracht werden soll. Sie soll ein Relief mit dem Motiv des Guten Hirten erhalten und wenn möglich vor Ort gegossen werden.

"Wir haben mit einem Glockengießer Kontakt aufgenommen, der so etwas anbietet", bemerkte er begeistert. Dann könnten Bewohner und Mitarbeiter des Talhofs und des benachbarten Altenheims Stammberg die Entstehung der Glocke mitverfolgen und auch dabei helfen. Als wäre das alles noch nicht symbolträchtig genug, steht sogar die Kapelle selbst an einem ganz besonderen Platz: Wo bald die Schafe zur Andacht kommen, stand nämlich bis vor Kurzem noch der Eselstall.

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Autor: Rhein-Neckar-Zeitung