Schriesheim im Bild 2023

25.11.2011

"Das gibt′s ja gar nicht"

Schriesheim. (sk) Eine derart emotionale Diskussion hat es schon lange nicht mehr gegeben im Gemeinderat. Da gab es lange Gesichter bei Grünen und SPD, Vorwürfe und Raunen am Ende einer hitzigen Debatte, und schließlich verließ nach dem Ende der Abstimmung eine völlig entnervte Grünen-Stadträtin Fadime Tuncer unter lautem Scheppern den Ratssaal.

Dabei ließ sich das Thema, die Festlegung des kommunalen Ökostrom-Anteils, zunächst recht trocken an: Das Ende der alten Stromlieferverträge ermöglicht den Abschluss neuer Vereinbarungen. Damit der Strom, der bei den Stadtwerken Viernheim gekauft wird, billiger wird, kauft ihn die Stadt zusammen mit den anderen sechs Mitgliedern des Gemeindesprengels "Unterer Neckar" ein.

Schriesheims Liegenschaften, auch das wurde klar, verbrauchen eine Menge Strom. Mit Ausnahme der Straßenbeleuchtung, die mit 860 000 Kilowattstunden zu Buche schlägt, sind das 3,1 Millionen Kilowattstunden pro Jahr. Ein großer Teil geht für den Betrieb der Nachtspeicheröfen im Kurpfalz-Schulzentrum drauf. "Wir müssen von diesem hohen Stromverbrauch herunterkommen", so Bürgermeister Hansjörg Höfer.

Im Vorfeld wurde von den Bürgermeistern beschlossen, dass ein Teil des Stroms Ökostrom sein soll. Jede Gemeinde entscheidet, wie hoch dieser Anteil jeweils sein soll. "Hemsbach und Dossenheim haben einen Anteil von 100 Prozent verabschiedet, Hirschberg hat sich für 50 Prozent entschieden", informierte Bürgermeister Hansjörg Höfer. Auch Ladenburg votierte am Mittwoch für 50 Prozent; die Weinheimer rechnen noch, wollen mittelfristig aber auf 100 Prozent umsteigen. Mit dem Bezug von Ökostrom wären für Schriesheim Mehrkosten verbunden: 100 Prozent Ökostrom kosten laut Verwaltungsvorlage gut 28 000 Euro mehr pro Jahr, 50 Prozent 14 000 Euro und 25 Prozent noch 7000 Euro.

CDU-Stadtrat Anselm Löweneck sah für einen Ökostrom-Anteil wegen der angespannten Haushaltslage keinen Spielraum: "Wir können nicht 28 000 Euro für ein Öko-Label ausgeben, wir können nicht mal 7000 Euro dafür ausgeben." Trotzdem habe die Stadt in puncto Umwelt ein reines Gewissen, fuhr Löweneck fort und erinnerte an die in nicht-öffentlicher Sitzung beschlossene Stelle der städtischen Umweltberaterin (siehe "Aus dem Gemeinderat"). Außerdem seien CDU und FDP für den Atomausstieg gewesen. Dafür gab es Hohngelächter der Grünen: "Wer die Energiewende will, der muss auch bereit sein, Ökostrom einzukaufen", sprach sich Robert Hasenkopf für 100 Prozent Ökostrom aus. Die endgültigen Mehrpreise würde erst die Ausschreibung zeigen. "Ökostrom ist alternativlos", sprach sich auch Sebastian Cuny (SPD) für 100 Prozent Ökostrom aus, was allerdings von den Freien Wählern nicht so gesehen wurde: "Wegen der Haushaltslage ist ein Mehraufwand für Ökostrom nicht vertretbar", so Dieter Knopf.

FDP-Stadtrat Wolfgang Renkenberger suchte den Kompromiss bei 25 Prozent Ökostrom. Er sehe das Thema unideologisch und nicht als Gewissensfrage und ergänzte süffisant: "Auch wenn das die Inquisition jetzt anders sieht." Als sich damit eine Abstimmungsniederlage abzeichnete, erregte sich Höfer: "Ein Null-Anteil wäre ein Signal, dass Schriesheim nicht mit den anderen Gemeinden mitgeht." Auf Wunsch der Grünen probierte Höfer dann bei der Abstimmung doch eine Art umgekehrte "Versteigerung" und begann mit 100 Prozent, die wie angekündigt von CDU, Freien Wählern und FDP abgelehnt wurden. Dasselbe wiederholte sich bei 75 und 50 Prozent, während bei den 25 Prozent alleine Renkenberger mit den Befürwortern stimmte.

"Man muss sich schämen", machte Gisela Reinhard neben einer fassungslosen Barbara Schenk-Zitsch (beide GL) ihrem Ärger Luft. "Das gibt's ja gar nicht", ließ Cuny verlauten, während Tuncer bereits ihre Mappe packte.

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Autor: Rhein-Neckar-Zeitung