Schriesheim im Bild 2023

12.03.2012

Fadime Tuncer fordert: "Schluss damit!"

Von Carsten Blaue

Schriesheim. Sie war zum ersten Mal dabei, und sie war schockiert: Grünen-Stadträtin Fadime Tuncer hat den "Behördentag" des Mathaisemarkts am vergangenen Dienstag nicht in bester Erinnerung. Vor allem das "Reihenküssen" im Zehntkeller machte sie "fassungslos", wie sie in einer Pressererklärung schreibt. Sie fordert die Abschaffung dieses Rituals.

Hintergrund ist die Tradition, dass die Weinhoheiten von allen, die erstmals beim Schriesheimer "Empfang der Ehrengäste" aus der ganzen Region dabei sind, geküsst werden. Weibliche Ehrengäste agierten dabei in den vergangenen Jahren manchmal etwas ratlos, wie die Situation zu retten ist - was inzwischen aber durch Küsschen für Bürgermeister Hansjörg Höfer kompensiert wird.

Gerade aber die männlichen "Novizen" sprechen beim Hoheiten-Busseln gerne von "angenehmer Pflicht" oder "unerwartetem Vergnügen". Das war am Dienstag nicht anders. Bürgermeister Hansjörg Höfer vermutete beim Einen oder Anderen sogar schon "schwitzige Finger". Vielleicht ist das bei manchen aber weniger Vorfreude als eigene Unsicherheit. Dieses Mal standen neben Schriesheims Weinhoheiten die Badische Weinprinzessin Målin, die Hoheiten aus Groß-Umstadt und Lützelsachsen sowie Weinheims Blütenprinzessin Spalier. Alles in allem elf junge Frauen.
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"Der Behördentag wird als ein besonderer Termin gefeiert, an dem der Austausch und das Kennenlernen der Behörden untereinander im Vordergrund stehen soll", schildert Fadime Tuncer. Mit dieser Erwartung nahm sie also teil. Dann enttäuschte sie das Bild des Küssens auf beide Wangen: "Hier wird ein Frauenbild gefeiert, dass ich schon als ausgestorben ansah. Die jungen Frauen stehen nur da, um angesehen und geküsst zu werden."

Manch Behördenvertreter habe sich Bemerkungen wie "Die werden ja immer hübscher" nicht verkneifen können, echauffiert sich Tuncer: "Ist es wirklich notwendig, auf dem Mathaisemarkt einem Frauenbild zu frönen, das vielleicht den 60er oder 70er Jahren des vorigen Jahrhunderts angehörte? Traditionen sind wichtig für den Mathaisemarkt, aber keine überkommenen Frauenbilder. Ich kann nur sagen: Schluss damit!"

Eine moderne Stadt müsse auch mal "überholte alte Zöpfe" abschneiden, damit das Fest "einen neuen Charakter bekommt", so die Stadträtin. Sie selbst musste auch nach vorne und fühlte sich dabei nicht wohl: "Ich war perplex von der Situation." Tuncer betont, den Bürgermeister nicht geküsst zu haben. Sie habe ihn lediglich "distanziert umarmt".

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Autor: Rhein-Neckar-Zeitung