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"Viele wissen gar nicht, was alles machbar ist"
Von Stephanie Kuntermann
Schriesheim. Zum behindertengerechten Ausbau von Wohnraum existieren derzeit zehn verschiedene DIN-Normen, sortiert nach Bereichen wie Küchen, Bäder oder Aufzüge. Verbunden sind sie jeweils mit einer Menge weiterer Vorschriften, etwa aus der Landesbauordnung, dem BGB oder sogar dem Mietrechtsreformgesetz.
Seit kurzem können sich Betriebe im Bereich der Handwerkskammer Rhein-Neckar-Odenwald (IHK) zu einigen dieser Normen zertifizieren lassen und ihre Kunden zum behindertengerechten Umbau ihrer Häuser und Wohnungen qualifiziert beraten.
Zehn Schriesheimer Handwerker besuchten Schulungen und nahmen am Freitag ihre Diplome aus der Hand von Handwerkskammer-Geschäftsführer Nikolaus Teves entgegen. "Schriesheim ist in diesem Bereich die aktivste Kommune in ganz Deutschland", lobte Teves. Schon seit Jahren gebe es hier Vorträge und Aktionen zum Thema, beteiligt waren die Stadt, der Bund der Selbständigen (BDS) und einzelne Handwerker.
Die Stadt sehe sich als Anlaufstelle, aber auch als Netzwerk für die beteiligten Handwerksbetriebe, betonte Bürgermeister Hansjörg Höfer und sah darin auch die Chance für die Betriebe, entsprechende Aufträge zu bekommen. Schriesheims Wirtschaftsförderer Torsten Filsinger erklärte, dass Zertifizierungen nach wie vor für Handwerker möglich seien: "Sie können jederzeit einsteigen."
Sie steigen damit ein in die Wohnberatung, die zum Modellprojekt "Neues Wohnen" gehört, einer vom Bundesfamilienministerium geförderten Initiative. Je mehr dabei seien, desto besser, fand Peter Riehl, der sich diesmal nicht als Altbürgermeister und Ehrenbürger, sondern als IHK-Vertreter zu Wort meldete: "Gerade in der Kombination der verschiedenen Handwerksbetriebe sehen wir den großen Erfolg und können Maßstab für andere Gemeinden sein."
All das muss künftig mit Leben gefüllt werden. "Denn jeder Behinderte ist ein Einzelfall, jeder hat unterschiedliche Bedürfnisse", berichtete ein Betroffener. Sven Koepke ist Diplom-Ingenieur und muss berufsbedingt oft den Wohnsitz wechseln.
Was schon für einen Fußgänger nicht leicht ist, stellt einen Rollstuhlfahrer mitunter vor große Probleme. Beraten wird Koepke dabei von Matthias Weigel. Mit seiner Planungsfirma hat sich der Makler und Sozialarbeiter auf die Bedürfnisse behinderter Kunden spezialisiert. "Man muss sich den Menschen und seine Lebenssituation anschauen und auch mal den Pflegedienst befragen", erklärte er. Auch wenn ein Griff in einem Bad nach der DIN-Norm richtig sitze, könne er doch für den Bewohner unerreichbar und daher nutzlos sein.
Ein Rollstuhlfahrer könne eine gute Kondition haben oder alt und gebrechlich sein, mit jeweils völlig unterschiedlichen Bedürfnissen. Seine Fachkenntnisse bringt der Schriesheimer als ehrenamtlicher Koordinator in die Wohnberatung ein, sammelt Adressen, berät und bringt Kunden und Handwerker zusammen.
"Eine Beratung ist auch für die Betroffenen wichtig", war auch Koepkes Erfahrung, "denn viele wissen gar nicht, was alles machbar ist."
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