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Bundeswehr Big Band in Schriesheim: Alles außer Marschmusik
Und die Marschmusik vermisste man wirklich nicht: Die Big Band der Bundeswehr begeisterte 750 Zuhörer in der Mehrzweckhalle
Von Stephanie Kuntermann
Schriesheim. "Geil". Hochgereckter Daumen, Kopfnicken. Ein Kraftausdruck aus der Jugendsprache, mit dem selbst ältere Semester das Konzert der Bundeswehr-Big Band nach dem gewaltigen Schlussapplaus und mehreren Zugaben bewerteten. Für eine Kritik käme das zwar schon auf den Punkt, wäre aber vielleicht ein bisschen knapp.
Also von Anfang an: Da hatte sich, erinnerte Ursenbachs Sängerkreis-Vorsitzender Wolfgang Blochin, Sänger Ernst-Wilhelm Schaulinski "wie ein Terrier verbissen" in die Idee, die berühmte Big Band zum 100-jährigen Bestehen des Chors nach Schriesheim zu holen. Das war vor zwei Jahren, und es klappte nicht. Doch ein Jahr später rief ein Band-Manager bei Schaulinski an und fragte, ob er noch Interesse habe an einem Gig.
Er hatte, und so schenkte der Sängerchor der Stadt den Konzertabend zu ihrem Jubiläum, außerdem der Musikschule den Reinerlös aus Karten- und Getränkeverkauf. Schirmherr Bürgermeister Hansjörg Höfer dankte dafür und bemerkte mit Blick in die Runde: "Der Ortsteil füllt heute eine ganze Halle."
Knapp 750 Karten wurden verkauft, und die Stimmung war großartig, als die Band mit einem Duke Ellington-Medley loslegte. "Take the A-Train" hörte man heraus, außerdem "Satin Doll". Bandleader Christian Weiper hatte nicht zu viel versprochen, als er ankündigte, Swing, Rock und Pop zu spielen: "Keine Marschmusik." Die vermisste man auch nicht wirklich. Trompeter und Flügelhorn-Spieler waren bei den Ellington-Hits für den satten Sound der Fünfziger zuständig; der Mann am Schlagzeug steuerte erst mal nicht mehr als ein cooles "Schnick-Schnick" bei, als die Zuhörer ihr erstes, an den großen Stan Getz erinnerndes Saxofon-Solo zu hören bekamen, auf das ein weiterer, sonst leider selten zu hörender akustischer Leckerbissen folgte: ein Vibrafon-Solo, klar, lebendig, virtuos gespielt. Viele der 20 Musiker spielten gleich mehrere Instrumente: Querflöten, Gitarren und verschiedene Percussions-Instrumente zeigten ihre musikalische Wandlungsfähigkeit.
Schnell stand fest, dass auch am Mischpult absolute Profis saßen: Glasklar abgemischt und wunderbar ausbalanciert kam der Sound bis zum letzten Platz in der Halle an. Etwa beim knarzigen Posaunen-Solo, das später am Abend zu hören war und sich absetzte vom weichen, geschmeidigen Ton, den die Posaunisten ansonsten zum Gesamtklang beisteuerten. Der bestand aus Standards ab den Dreißigern, Bekanntem und weniger Bekanntem, Bill Chases "Get it on" neben der Rockballade "Music was my first love". Ab und zu mischte sich auch Unerwartetes darunter wie das satte Arrangement des Quincy-Jones-Titels "Soul Bossa Nova", dessen Querflöten-Solo mittlerweile untrennbar verbunden ist mit den "Austin Powers"-Filmen. Bei "Wickie und die starken Männer" staunte das Publikum nicht schlecht: Drummer Thomas Lieven hatte nämlich die Idee, das Thema der Zeichentrick-Serie in eine Jazz-Nummer zu verwandeln, und dieser Einfall erwies sich als ziemlich genial. Mit atemberaubenden Schlagzeug- und Saxofon-Soli zerlegten die "starken Männer" das Thema in seine Bestandteile und setzten es wieder neu zusammen, mit tatkräftiger Unterstützung des Keyboard-Virtuosen Phuong Nam Nguyen Chong.
Glamour, Glitzer und große Gefühle kamen ins Spiel bei den Auftritten von Sängerin Bwalya Chimfwembe: Mit Riesen-Stimmumfang, mächtigem Tremolo und dramatischen Gesten interpretierte sie Tom Jones und immer wieder Shirley Bassey auf eine Art, die dem großen Vorbild absolut ebenbürtig war. "All by myself" blieb als Ohrwurm hängen, vielleicht auch die großartige letzte Zugabe zusammen mit Sänger Ralph Winter: "Bridge over troubled water". Das hatte man lange nicht mehr so schön gehört. Vielleicht gibt es ja eine Chance auf eine Wiederholung. Denn Weiper kündigte an, in den nächsten Jahren wieder nach Schriesheim zu kommen.
Hintergrund
Die Big Band der Bundeswehr ist wohl eine der am weitesten gereisten Musikgruppen, die man sich vorstellen kann. Die in Euskirchen beheimatete Formation war schon in Moskau, New York, Kapstadt Oslo, Madrid oder Tokio zu hören, spielte insgesamt mehr als 16 Millionen Euro für wohltätige Zwecke ein und ist auch des Öfteren im Auftrag der Bundesregierung unterwegs, unter anderem in den Einsatzgebieten der Bundeswehr, aber auch bei Staatsbesuchen, dem Kanzler- oder Bundespräsidentenfest, beim Bundespresseball oder dem Ball des Sports.
Gegründet wurde die Big Band 1971 auf Initiative des damaligen Bundesverteidigungsministers Helmut Schmidt, der sich fragte, warum es damals nur Marschmusik bei der Truppe gab. Erster Bandleader wurde Günter Noris. Der Jazzpianist, Arrangeur und Begleiter von Hildegard Knef erhielt den Auftrag, ein "Schauorchester der Bundeswehr" aufzubauen und begründete die Karriere der Band. Im Jahr 1983 trat Günter Noris von seinem Posten zurück; in den folgenden Jahren waren es dann immer Bundeswehrangehörige, die die Band leiteten, seit 2012 Oberstleutnant Christian Weiper, der zuletzt dem 10. Heeresmusikkorps in Ulm vorstand.
Seit sieben Jahren geht auch die aus Sambia stammende Sängerin Bwalya Chimfwembe mit der Band auf Tournee, die bereits mit Showgrößen wie Jennifer Rush oder Shirley Bassey auf der Bühne stand.
Swing- und Unterhaltungsmusik, Rock-Balladen, aber auch Musik von Herbert Grönemeyer oder "Pur" gehören mittlerweile zum Repertoire der Band, die jährlich etwa 70 Auftritte hat und fast nur aus Berufssoldaten besteht. Sie tragen bei ihren Auftritten Uniform: In Schriesheim sah man sie zuerst im dunkelblauen Zwirn der Luftwaffe, im zweiten Teil des Konzerts dann "ganz in Weiß" in Marine-Uniformen. sk
Etwas ganz Besonderes im Jubiläumsjahr: Der Sängerchor Ursenbach bescherte der Stadt das Konzert der Bundeswehr Big Band zur 1250-Jahr-Feier. Ein absoluter Höhepunkt. Foto: Dorn
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