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Schriesheim: Bürger können die Zukunft des Schulzentrums mitgestalten
Von Stephanie Kuntermann
Schriesheim. "Ihr aller Mitwirken ist wichtig", sagt Joachim Fahrwald. Der Geschäftsführer von "memo-consulting" ist beim sogenannen "world café" in der Mehrzweckhalle am Mittwochabend der Moderator. Unter "world café" versteht man eine bestimmte Art der Moderation, bei der die Teilnehmer eine Diskussion im Viertelstundentakt mit jeweils fünf anderen, unbekannten Gesprächspartnern führen sollen. Für diese Einteilung der Diskussionsrunden an diesem Abend hat die Stadt Fahrwald engagiert, Thema ist das Schulzentrum und dessen Zukunft.
Die Teilnehmerzahl ist mit mehr als 150 Personen beeindruckend: Lehrer aller Schulen sind dabei, Realschulrektorin Petra Carse, außerdem Stadträte, Rathausmitarbeiter, Amtsleiter, Ortsvorsteher, Schulsozialarbeiter, Schüler und Eltern. Die Auftaktveranstaltung sei, so erklärt Fahrwald, der Beginn eines Prozesses, der klären soll, was sich die Bürger wünschen: welche Art Schule, Sanierungsarbeiten in welchem Umfang, einen Neubau oder gar keine Schule mehr am Ort? Bürgermeister Hansjörg Höfer vertritt hier eine klare Positition: "Ich kann mir die Stadt ohne Schule nicht vorstellen."
Bevor die Veranstaltung offiziell beginnt, geht Fahrwald mit dem Mikrofon an die Tische und befragt die Anwesenden nach ihren Erwartungen. "Ich hoffe, dass es die nächste Generation besser macht als wir das früher getan haben", sagt ein älterer Herr. Neugierig drehen viele die Köpfe in seine Richtung: Gesprochen hat Professor Lothar Götz, Architekt des Schulzentrums. Sein Satz ist programmatisch, denn der Abend beschäftigt sich in den kommenden Stunden ausschließlich mit dem, was einmal sein könnte. Dabei geht es um folgende Fragen:
> Wie stellen Sie sich schulisches Lernen im Jahr 2025 vor? Die erste Frage an die Teilnehmer fördert vielfältige Antworten zutage. "Die pädagogischen Konzepte wechseln doch recht schnell", bemerkt FDP-Stadtrat Wolfgang Renkenberger. Sein Ratskollege Marco Ginal (SPD) ist Lehrer und Experte: Selbst organisiertes Lernen, weniger Frontalunterricht, dafür mehr "Arbeitsaufträge an Lerngruppen", das ist derzeit Stand der Diskussion. Außerdem gehe es um ein "Kompetenz-orientiertes" Lernen, auch wenn am Tisch nicht allen klar wird, was das heißt. "Ich könnte mir vorstellen, dass es das dreigliedrige Schulsystem bald nicht mehr gibt", spricht eine Teilnehmerin ein anderes Thema an: Die Schullandschaft werde sich wohl auf die weiterführenden Schulen Gymnasium und Realschule reduzieren. Architekt Peter Becher berichtet von seinem Lehrauftrag in Cambridge, vom engen, regelmäßigen Kontakt zwischen Tutor und Student: "Es geht dort persönlicher zu, man kennt einander genau. Die Briten haben uns da einiges voraus." Was gesagt wird, notiert Renkenberger auf ein großes Blatt Papier, das wie alle anderen Blätter am Ende gesammelt und für die späteren Arbeitsgruppen aufgehoben wird.
Ganz anders wird am nächsten Tisch diskutiert. Eine Schülermutter hält wenig von der Diskussion um Ganztagesschulen, sagt, dass ihre Kinder gerne um die Mittagszeit nach Hause kommen, um sich auszuruhen. Ein Vater kommentiert das Stichwort "Lern- und Lebensort Schule" sarkastisch: "Die tun alle so, als ob die Kinder am liebsten den ganzen Tag in der Schule wären." Er hält die Annahme vieler Diskussionsteilnehmer, dass jedes Kind lern- und wissbegierig sei, für etwas weltfern: "Haben die denn keine Teenager? Und wissen sie nicht mehr, wie sie selbst sich gefreut haben, wenn mal der Unterricht ausfiel?".
> Welchen Lernort braucht Schriesheim im Jahr 2025? So heißt die Frage zum Themenkreis Architektur. Aufenthalts- und Rückzugsräume sind allen Diskussionsteilnehmern am Tisch wichtig. "Nicht nur für die Oberstufe, sondern auch für die Jüngeren", wünscht sich eine Schülermutter. "Bitte kein Flachdach mehr", sagt ein Teilnehmer am Mikro. "Eine funktionierende Technik, es muss ja auch nicht das Neueste vom Neuen sein", wünscht sich jemand anderes, Schallschutz, dicht schließende Fenster, Klimatisierung sind weitere Stichworte. Eine Frau betont, dass gute Lehrer mindestens genauso wichtig seien: "Am Ende hat man tolle Klassenzimmer und kann sie nicht richtig nutzen." Trennwände aus Glas, "variable Räume", wie sie einigen Architekten vorschweben (siehe weiteren Bericht), werden kontrovers diskutiert. Eine Lehrerin hält den Sichtkontakt in die anderen Räume für gut, vor allem, wenn mal wegen Ausfall von Kollegen mehrere Klassen zu beaufsichtigen seien. Eine ehemalige Schülerin befürchtet dadurch mehr Ablenkung. Eher sollte man versuchen, die Konzentration der Kinder zu fokussieren, nickt ein Schülervater.
> Welche innovativen Finanzierungsmodelle für den Lernort kann es geben? Das ist die Frage zum heiklen Thema Finanzen. Am Tisch gibt Grünen-Stadträtin Fadime Tuncer einen kleinen Überblick der verschiedenen Möglichkeiten für Bau und Bezahlung: Am günstigsten käme eine Sanierung in Teilschritten. Abriss und Neubau, eventuell an anderer Stelle, wären mit 70 Millionen Euro die teuerste Alternative. Sponsoren, Spenden, Veranstaltungen wie Spendenläufe, die Finanzierung über die Gewerbesteuer: Das sind Vorschläge, die einfach mal ohne Rücksicht auf Durchführbarkeit oder rechtliche Hürden gemacht werden - und in diesem Rahmen auch sollen. Über den laut geäußerten Gedanken, einen Teil des Geldes durch Bußgelder einzutreiben, müssen einige lachen. Tabus, sagt Fahrwald, müsse es nicht geben. Tuncer nennt eine Zahl: "50 Prozent der Schüler kommen aus Schriesheim, die anderen 50 Prozent von außerhalb." Wie wäre es mit Umlagen für diese Schüler, fragt jemand.
In "trockene Tücher" gepackt wird an diesem Abend jedenfalls noch nichts. Das sei auch gar nicht das Ziel gewesen, bemerkt Stadtbaumeisterin Astrid Fath am Ende gegenüber der RNZ: "Wir wollten von den Teilnehmern hören, was sie für Ideen haben."
Foto: Dorn
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