Schriesheim im Bild 2023

11.01.2004

Das Sudhaus: Aus Ruinen neu entstanden

Vernachlässigungen, Abrissbestrebungen, vielleicht auch Manipulationen: Das alles hat das Sudhaus überstanden - gerade auch dank aktiver Bürger

Der Abriss war vor 15 Jahren schon mal so gut wie beschlossen, als auch noch der Ostgiebel einstürzte. Doch die Bergwerksgruppe kämpfte weiter für die Sanierung - mit Erfolg. Foto: D

Von Stephanie Werner

Schriesheim. Nachdem sich Curt Full in den letzten beiden Jahrbüchern mit der Geschichte des Sudhauses auf dem Gelände der Grube Anna Elisabeth in den Jahren 1782 bis 1968 beschäftigt hat, berichtet er im aktuellen Schriesheimer Jahrbuch 2003 über die Jahre "1968 bis heute".

Am 11. November 1968 wurde der Nachlass der Familie Köhnle versteigert und die Gemeinde Schriesheim neuer Besitzer des 1,4 Hektar großen Bergwerksgeländes. In den Jahren zuvor waren die Wohnungen im Sudhaus an bedürftige, zum Teil kinderreiche Familien vermietet worden. Im Jahr 1938 kam die Familie Dalmolin aus Italien nach Schriesheim und bewohnte mit den drei Töchtern Frieda, Mathilde und Sophie (später verheiratete Weber) das Obergeschoss. In den Nachkriegsjahren wohnte die Familie Wild aus Ostdeutschland mit ihren Kindern im Erdgeschoss. Auch Elise Schmitt, Tochter der Köhnles und Witwe des Uhrmachers Ludwig Schmitt aus Mannheim fand nach dem Krieg eine Notunterkunft im Sudhaus.
Schriesheimer Jahrbuch

Nach Lina Köhnles Tod hatte das Haus nur noch zwei Bewohner: Die Familien Nullmeyer und Wolf. Aus dieser Zeit stammt noch eine an die Wand des ehemaligen Treppenhauses gemalte Stadtkulisse mit einer überdimensionalen Kirchturmuhr, die noch bis in die Zeit der Sanierung erhalten blieb.

Für das Sudhaus kam der Denkmalschutz in letzter Minute. Seit Jahrzehnten war das Gebäude sträflich vernachlässigt worden, Reparaturen wurden kaum gemacht. Der Abbruch war im Jahr 1984 schon so gut wie beschlossen, geplant war ein mehrgeschossiger Sozialwohnungsbau mit zehn Wohneinheiten. Das löste ein ungeahntes Interesse an dem ehemaligen Bergwerk aus, und im Mai 1985 wurde die Bürgerinitiative "Gruppe Heimatkundlich-Technische Denkmäler" als Fachabteilung des Verkehrsvereins gegründet. Gründungsmitglieder waren unter anderem Schlossermeister Wilhelm Gassert und Hobbyhistoriker Jürgen Sandel.

Da der Gemeinderat bereits dem Abbau zugestimmt, aber auch der Bergwerksgruppe Unterstützung zugesagt hatte, entbrannten monatelange Diskussionen, die erst mit einem erneuten Beschluss beendet werden konnten. Der Gemeinderat entschied sich für den Erhalt des Sudhauses und die Förderung der Aufwältigungsarbeiten in der Grube.

Im September 1985 begann die Bürgerinitiative mit der Säuberung des Geländes: Unmengen von Schutt, meterhohe Berge Müll und Unrat mussten entfernt werden. Zum Zustand des Sudhauses gibt es im Jahrbuch einige Bilder, die das Ausmaß der Verwahrlosung zeigen.

Im Frühjahr 1987 wurden dann die Nebengebäude, der Stallanbau am Ostgiebel und der hölzerne Schuppen, abgerissen.

Im April 1998 kam es zu internen Unstimmigkeiten im Verkehrsverein. Folge war die Verselbständigung der Bergwerksgruppe mit eigenem Vorstand und getrennter Kassenführung. Am 25. Juni 1998 konnte der erste Teilabschnitt der Grube für die Öffentlichkeit zugängig gemacht werden.

Bis zum Frühjahr 1989 wurde heftig über das Problem Sudhaus diskutiert, der völlige Abriss des Hauses mit einem "historisierenden Neubau" war im Gespräch, gegen die sich aber die Mitglieder der Bergwerksgruppe entschieden wehrten. Der Abriss war schon so gut wie beschlossen, als am 6. April 1989 um 22 Uhr der Ostgiebel des Sudhauses ohne ersichtlichen Grund einstürzte. Der Verdacht auf Manipulation kam auf, anscheinend waren im Westgiebel Balken entfernt und Teile der Mauerungen herausgeschlagen worden. Doch 60 Prozent der Bausubstanz war noch verwendbar.
"Vorbildliche Bürgeraktion"

Im August 1989 genehmigte der Gemeinderat erste Sanierungsarbeiten, und zehn Monate später, am 22. Juni 1990, konnte das Richtfest gefeiert werden. Die Bergwerksgruppe bekam den Landespreis als "vorbildliche kommunale Bürgeraktion". Ende Januar 1994 wurde ein Pachtvertrag zwischen der Stadt und der Bergwerksgruppe geschlossen. Im Februar 1996 begann die Endphase des Umbaus des Sudhauses: Die Sandsteingewände wurden erneuert und Fenster eingesetzt, so dass am 12. Dezember die offizielle Einweihung des "aus Ruinen entstandenen" Sudhauses gefeiert werden konnte. Insgesamt hatten die Baumaßnahmen 650000 Mark gekostet.

Im Frühsommer 1997 erhielt das Haus einen Außenputz und damit äußerlich seine endgültige Form, während innen alles noch im Rohbau war. Am 21. November fand die Gründungsversammlung des "Bergwerksvereins" statt, nun ein selbständiger Verein.

Im Jahr 1998, mit mehr als 10000 Besuchern der Grube im Jahr, standen die finanziellen Mittel zum Innenausbau des Sudhauses bereit, und im Oktober wurde es erstmals bei der Tagung des Landesverbands der Bergwerksvereine offiziell genutzt.

Der Bergwerksverein plant, das Sudhaus ab der Saison 2004/2005 mit in den Besucherbetrieb einzubeziehen, als Anfangs- und Endpunkt der Führungen.

Copyright (c) rnz-online

Autor: Rhein-Neckar-Zeitung