Schriesheim im Bild 2023

25.04.2017

Integration leicht gemacht

Der 18 Jahre alte Afghane Rahmatullah Moradi floh 2015 nach Deutschland – Beim Kraftsportverein hat er eine neue Heimat gefunden

Von Frederick Mersi

Schriesheim. Aufgewachsen ist er in der Nähe von Kabul, ungefähr eine Stunde von der afghanischen Hauptstadt entfernt. Er sei der erste Ringer in seiner Familie gewesen, sagt Rahmatullah Moradi, mit elf Jahren habe er angefangen. In Afghanistan ist das schon fast ein Wunder: Ringen ist dort so etwas wie ein Nationalsport. "Ohne Ringen geht nichts", sagt Moradi, "ich liebe diesen Sport."

Dass dieser ihn eines Tages nach Schriesheim führen würde, konnte er als elfjähriger Junge noch nicht ahnen. Inzwischen ist er erwachsen, 18 Jahre alt und arbeitet gerade an seinem Hauptschulabschluss. Und er ringt beim Kraftsportverein (KSV) Schriesheim - ziemlich erfolgreich sogar, wie Klaus Grüber sagt: "Er ist der Drittbeste in unserer Mannschaft." "Zweitbester", verbessert Moradi und lächelt kurz.

Vor zwei Jahren endete seine Flucht nach Deutschland, inzwischen wohnt er im Friedrichstift in Leimen. Eineinhalb Stunden dauert jede Fahrt zum Training nach Schriesheim - für ihn und die Verantwortlichen kein Problem. Beim KSV haben sie ihn längst ins Herz geschlossen, und nach seinem Schulabschluss ist im Juli schon der Umzug in die Weinstadt geplant.

Dann beginnt Moradi seine Lehre zum Elektriker bei Rainer Müller, ebenfalls im KSV aktiv. "Das Ausschlaggebende war, dass er gut Deutsch spricht", sagt Müller, "es nützt ja nichts, wenn man einen Lehrling hat, der der Aufgabe nicht gewachsen ist." Doch Moradi ist einer der Besten seiner Klasse, und die Verständigung klappt ohne größere Probleme: "Das, was er nicht versteht, bekommt er einfach noch einmal gesagt", sagt Marc Hartmann, Abteilungsleiter der KSV-Ringer und künftiger Nachbar Moradis.

Das gilt auch fürs "Schriesemer Gebabbel". Auf die Frage, ob sie sich gegenseitig verstehen, antwortet Grüber: "Also wir persönlich verstehen uns wunderbar." Zeit zum Üben des lokalen Dialekts wird Moradi in Zukunft sowieso genug haben, Marc Hartmann hat bereits die ersten gemeinsamen Grillabende in Schriesheim angekündigt - ohne Schweinefleisch, versteht sich.

Die Möbel für die Wohnung suchen die Kraftsportler gerade zusammen, den Lehrvertrag bei Rainer Müller hatte Moradi schon vor Januar unterzeichnet. "So war er sicher vor der Abschiebung", sagt Klaus Grüber, "auf diesem Gebiet ist die politische Linie im Moment konträr zu unserer." Inzwischen hat Moradi eine zweijährige Aufenthaltserlaubnis, ins Ausland reisen darf er mit seinen Dokumenten jetzt auch.

Von dieser Möglichkeit könnte er schon bald Gebrauch machen: Mit seinem Sieg bei der Europameisterschaft afghanischer Ringer in Hamburg hat er sich für ein Turnier in Polen qualifiziert. "Vielleicht kann ich dieses Jahr hinfahren", hofft er.

Bis dahin bereitet er sich mit dem KSV auf die kommende Saison vor. "Ohne Training geht’s nicht", sagt Grüber mit mahnendem Blick in Richtung Moradi. An Motivation mangelt es ihm aber nicht. Sein Ziel im Regionalligakader ist klar: "Dieses Jahr will ich der Beste in der Mannschaft werden."

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Autor: Rhein-Neckar-Zeitung