Schriesheim im Bild 2023

26.10.2017

So gewöhnlich ist dieser Meisterspieler

Einst ahmte Björn Schwarze seine Mutter am Cello nach. Heute spielt er vor hunderten Zuhörern.

Von Lotta Wellnitz

Schriesheim. Als Björn Schwarze das erste Mal mit einem Cello in Berührung kam, war er drei Jahre alt. Im Elternhaus in Schriesheim beobachtete er, wie seine Mutter Ingibjörg über die Saiten ihres hölzernen Cellos strich. Dann geschah etwas Außergewöhnliches: Der Sohn griff zu einem Holzbrett, begann vorsichtig die Streichbewegungen der Mutter nachzuahmen. Ein Bekannter der Familie schnitzte Björn Schwarze daraufhin ein altersgerechtes Modell, mit vier Jahren erhielt er dann ein echtes Cello.

Heute ist Schwarze 27 Jahre alt, hat einen Bachelor und Master of Music und arbeitet als stellvertretender Solocellist im Netherlands Philharmonic Orchestra in Amsterdam und an der dortigen Oper. Für Konzerte und Auftritte kommt er immer einmal wieder nach Deutschland zurück. Sein letzter Besuch ist keine 24 Stunden her.

Da trat er zusammen mit Jugendfreund Angelo de Leo in der alten Synagoge in Hirschberg-Leutershausen auf, ganz in der Nähe seiner Heimat Schriesheim. "Das ist, als würde ich etwas mit Freunden unternehmen", sagt Schwarze bei einem Kaffee über den Auftritt mit de Leo. Obwohl das über einstündige Konzert vor 150 Menschen keine 15 Stunden her ist, ist er fit, Augenringe sucht man vergeblich. "Ich genieße jeden Auftritt und liebe es, mit dem Publikum zu interagieren", erzählt er und nippt an seiner Tasse, "man spielt fürs Publikum und nicht für sich selbst."

Der Auftritt in Hirschberg sei etwas ganz Besonderes gewesen, saßen im Publikum doch viele alte Bekannte, ehemalige Lehrer vom Kurpfalz-Gymnasium in Schriesheim, seine Eltern und Großeltern, einer seiner beiden Brüder.

Wenn Cello, dann aber richtig

Schwarze hat seiner Familie viel zu verdanken. Ohne seine Mutter Ingibjörg wäre er nicht zum Cellospielen gekommen. Sie ist selbst ausgebildete Cellistin und spielt vorrangig Kammermusik. Sie studierte an der Musikhochschule in Frankfurt, nahm Meisterkurse bei renommierten Künstlern und war unter anderem als Cellistin in großen Symphonieorchestern tätig.

Als Schwarze vier Jahre alt war, gab sie ihm seinen ersten Cellounterricht. Begeistert war die Mutter von seiner Faszination für das Musikinstrument anfangs allerdings nicht. Ihr wäre es lieber gewesen, der Sohn hätte ein anderes Instrument gelernt, Geige zum Beispiel. Das wollte der aber nicht. Mit drei Jahren sagte er: "Mama, du weißt doch, dass ich Cello spielen will", erinnert sie sich. Und daran hat sich bis heute nichts geändert.

Das musste irgendwann auch die Mutter einsehen. Also hieß es für den Sohn: Wenn Cello, dann aber richtig. Und "richtig", das bedeutete für ihn Üben, Üben, Üben - jeden Tag, mindestens fünf bis zehn Minuten.

Für ein Kind gar nicht so einfach. "Mit vier oder fünf Jahren willst du natürlich nicht jeden Tag üben, da hast du auch noch andere Sachen im Kopf", sagt Björn Schwarze. Heute ist er dankbar, dass seine Eltern ihn immer wieder motivierten. Manchmal habe er "Inspiration" gebraucht, sagt er. "Man stellt sich das alles leichter vor, als es ist."

Ganz gewöhnlich aufgewachsen

Seine harte Arbeit begann sich auszuzahlen. 2001 gewann Schwarze mit zehn Jahren den Landeswettbewerb von "Jugend musiziert". In der Konkurrenz mit anderen merkte auch seine Mutter, wie gut ihr Sohn spielte. Zuvor hatte sie seine überdurchschnittliche Begabung kaum wahrgenommen, sah ihn nie als "Wunderkind".

Überhaupt, sagt sie, diesem Begriff könne sie nichts Gutes abgewinnen. Kinder, die so genannt und behandelt werden, seien später genau die, die dem Druck als Musiker nicht standhalten könnten. Ihr Sohn sei ganz gewöhnlich aufgewachsen, ging zur Schule, spielte mit seinen Brüdern und übte nebenbei eben Cello.

Nach dem ersten Erfolg merkte auch der zehnjährige Schwarze, wie wichtig tägliches Cellospielen war, um den Anschluss nicht zu verlieren. Nun hatte er Ziele, wollte mit den anderen mithalten und Erfolge feiern. Nach und nach wurde das Üben zur Gewohnheit, er brauchte es. "Irgendwann hatte ich das Gefühl, ohne das Cello fehlt mir etwas", sagt Schwarze und nimmt einen weiteren Schluck aus seiner Tasse.

Heute kann er sich ein Leben ohne das hölzerne Musikinstrument nicht mehr vorstellen, es ist ein Teil von ihm geworden.

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Autor: Rhein-Neckar-Zeitung