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Poetry Slam in Schriesheim: Nur der Dorf-Vergleich kam nicht gut an
Beim zweiten "Poetry Slam" des Kulturkreises präsentierten acht Künstler im Zehntkeller Freches und Nachdenkliches
Schriesheim. (kaz) Vielleicht hätte Victoria Helene Bergemann Schriesheim nicht mit einem kleinen Dorf vergleichen sollen. Das hat ihr am Samstagabend beim zweiten "Poetry Slam" des Kulturkreises im Zehntkeller möglicherweise ein paar Punkte auf dem Applausometer gekostet. Na ja, so direkt hat es die ehemalige Hamburgerin, die jetzt in Kiel wohnt, ja auch nicht ausgedrückt. Sie meinte nur, ihr Text "Gepökelter Krustenbraten" passe gut zu der Kleinstadt, in der sie gerade auftrete.
Und dann ist da von schlechten Busverbindungen die Rede, von Läden, die um 17 Uhr schließen, von Horst und Hannelore, bei denen noch der "Käse-Igel" serviert wird, wenn ein befreundetes Ehepaar zu Besuch kommt, vom Nachbar, der "für Ruhe und Ordnung sorgt" und von der Lokalband "Crazy Cracker" - heißt das übersetzt nicht "Verrückte Salzgebäckstücke"?
Vor ausverkauftem Haus agierten am Samstagabend acht Wortakrobaten, darunter drei Frauen, vor einem begeisterten Publikum. Den Sieg holte letztlich ein Mann: Hank M. Flemming aus Tübingen, der anhand von Filmtiteln ankündigte, jenseits der Stille warte eine unendliche Geschichte, und unter anderem von der Schauspielerin mit der vom Winde verwehten Stimme erzählte. Feine Wortspielereien gehörten ebenso zum von "Word up!" gestalteten Slam wie temperamentvolle Töne. Letztlich musste die Botschaft rüberkommen, entscheidend war der Publikumsgeschmack und der Applaus ganz zum Schluss.
"Schön, dich zu sehen" - schon dieser Satz kann eine Lüge sein. Das findet jedenfalls Leonie Warnke aus Leipzig, die im Zehntkeller den Schönheitswahn auf die Schippe nahm, den "Out-of-Bed-Look" vorstellte, aber auch weiß, wie schwer es ist, sich so zu schminken, um ungeschminkt auszusehen. Warnke reist als "Slammerin" inzwischen sogar hauptberuflich durch das Land. Ihren Studienabschluss hat die 26-Jährige sozusagen nebenbei gemacht.
Den ersten Auftritt im Finale hatte Friedrich Herrmann aus Jena. "Die Worte in meinem Kopf sind müde und wollen nicht mehr raus", wollte er den Gästen im Saal glauben machen. Dabei quoll es gerade nur so aus ihm heraus. In welche Richtung würde das gehen? Zuerst klang es nach einer Beschreibung des alltäglichen Chaos zwischen Steuererklärung und Geschirrspülen. Dann geht es um das Sortieren von Fotos und Sätze wie "Ich behalte nur die, auf denen du lächelst". Und schließlich die Wende. Die Frau auf den Fotos ist todkrank, die Zeit läuft.
Mit Cristina Holewik, Jonas Treibel und einem Teilnehmer, der sich "Wortkauz" nennt, waren auch drei Heidelberger beim Poetry Slam in Schriesheim vertreten, schafften es aber nicht ins Finale. Aus Frankfurt stammt "GAX", der über sich sagte: "Ich bin Künstler. Ich schreibe, ich male und mache Musik." Die meisten, die sich dem "Sprechkunst-Wettbewerb" stellten, stecken noch mitten im Studium oder haben es gerade abgeschlossen.
Das Publikum schien am "Poetry Slam" einen Riesenspaß gehabt zu haben, die Akteure auf der Bühne natürlich auch. Der Applaus war dementsprechend nach jedem Vortrag groß, sagte bei bloßem Hinhören also noch nichts über die Gewinnchancen aus - und die Protagonisten auf der Bühne klatschten immer kräftig für die Konkurrenz mit. Bei diesem Abend mit bester Unterhaltung gewannen letztlich alle.
Victoria Helene Bergemann nahm im ausverkauften Zehntkeller das Leben in Kleinstädten auf die Schippe. Foto: Dorn
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