Schriesheim im Bild 2023

15.03.2018

Mathaisemarkt Schriesheim: Kunstausstellung zeigt Werke Mannheimer Künstlernachlässe

Unter dem Titel "Reisen. Mannheimer KünstlerInnen unterwegs" sind Werke aus dem Depot ausgestellt

Von Marco Partner

Schriesheim. Ein großer, grauer Erdball sticht einem als erstes ins Auge. Fetzen aus Magazinen, Zeitungen und Illustrierten kleben an der Leinwand. Der karge Asphalt einer einsamen Straße wird ins Zentrum der Betrachtung gerückt. Bonjour Tristesse, möchte man beim Anblick der beiden großen Werke von Norbert Nüssle fast sagen. Und doch sind die gespachtelten Collagen-Bilder - vollgepackt mit Plakatresten, küssenden Reklamelippen und kunstvoll eingearbeiteten Kaugummipapierchen - fantasieanregend und ein Blickfang der Mathaisemarkt-Kunstausstellung. Dem Alltagsgrau entkommen, um mit neue Eindrücken heimzukehren: "Reisen. Mannheimer KünstlerInnen unterwegs", ist der Titel der diesjährigen Schau im Saal der Feuerwehr, mit der ein kleiner Einblick in das rund 1000 Exponate umfassende Depot der Mannheimer Künstlernachlässe gewährt wird.

"Die Erde als Kugel ist immer sichtbar. So hat Nüssle elegant die Frontalversion vermieden", erklärt Susanne Kaeppele am Freitag bei der gut besuchten Vernissage. Gemeinsam mit ihrer Kollegin, Christine Schumann, von den Künstlernachlässen moderiert die Eröffnung. Beleuchtet die Schaffenskraft und Motive der neun verstorbenen, ausgestellten Künstler, deren Schicksale zwei Gemeinsamkeiten einen: Mannheim als Heimat und Lebensstation sowie die Lust des Reisens. Der Weltenball als Sehnsuchtsort: Trude Stolp-Seitz malte in den 1950er Jahren zur Not auf dem Kofferraumdeckel ihres Autos, um die Pracht der Schweizer Berge oder das Glitzern des Gardasees in Form und Farbe festzuhalten. Abstrakt und wie in blaue Diagramme eingeteilt, wirken ihre Gemälde. Eher auf der Gerhard-Richter-Skala bewegen sich dagegen die ganz dem Taoismus zugewandten Bilder von Gabriele Dahms.

Bei ihr rücken die Farben selbst in den Mittelpunkt. "Sie ist zunächst nach Ostasien gereist. Und dann in sich hinein", erläutert Kaeppele. Bürgermeister Hansjörg Höfer verweilt kurz vor Vernissage-Beginn dagegen lieber vor einem mediterranen Aquarell. "So sonnig sollte es auch auf dem Mathaisemarkt sein", sagt er scherzhaft, während draußen bei Nullgraden zarte Schneeflocken auf die Fahrgeschäfte herabrieseln.

Wie ein Kontrast zur ungewohnten Märzkälte erscheinen die Werke von Peter Schnatz: Ein pechschwarzer Olivenbaum trieft aus der Leinwand, wie die sengende Hitze erstrahlt auch ein mit Sackleinen verarbeitete Erinnerung an die Provence. "So wird die ferne Welt daheim ins Wohnzimmer gebannt", sagt Schumann. Die neun Mannheimer Künstler, sie hätten zwar nicht die große Kunstgeschichte auf den Kopf gestellt: "Aber die Reisen haben ihre Kunst stark beeinflusst."

Hans Graeder hingegen bekämpfte mit seiner Kunst ein Trauma: Als Soldat musste er im Zweiten Weltkrieg Feldzüge in Polen, Frankreich, dem Balkan und Russland überstehen. Was der 1998 verstorbene Künstler durchlebt haben muss, wird in Gestalt von schreienden Mündern und auf Arme und Beine reduzierten Menschen sichtbar. "Die Künstlernachlässe sind eine wichtige Einrichtung. Das Leben und die Arbeiten der verstorbenen Künstler haben das kulturelle Bild Mannheims geprägt. So bleiben sie der Nachwelt erhalten", betont deshalb auch Gabi Mohr-Nassauer, die Vorsitzende vom Kulturkreis.

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Autor: Rhein-Neckar-Zeitung