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07.06.2018

Kurpfalz-Grundschule Schriesheim: Glaswolle und Geruch von Tierkot beunruhigen Lehrer und Eltern

Kurpfalz-Grundschule Schriesheim: Glaswolle und Geruch von Tierkot beunruhigen Lehrer und Eltern

Glaswolle, Tierkot, unklare Fluchtwege - Lehrer und Eltern klagen über unhaltbare Zustände - Stadt hat Experten mit Messungen beauftragt

Von Frederick Mersi

Ende des Monats soll Klarheit herrschen: Nach Beschwerden von Eltern und Lehrern überprüft ein Fachmann aktuell die Luft- und Wasserqualität in den Klassenzimmern auf Schadstoffe. Außerdem erstellt die Stadt einen baulichen Mängelbericht. Foto: Dorn

Schriesheim. Kinder, die mit einem herabhängenden Starkstromkabel als Liane spielen, Schneebälle aus Glaswolle formen oder bei einem Feuer aus den Fenstern ihres Klassenzimmers im ersten Stock springen sollen: Die Liste der Mängel ist lang, über die Eltern und Lehrer an der Kurpfalz-Grundschule klagen. Jetzt hat die Stadt Schriesheim einen Experten beauftragt, der das Schulgebäude unter die Lupe nehmen soll. Am gestrigen Mittwoch wurden nach RNZ-Informationen die ersten Messungen vorgenommen, die Ergebnisse sollen Ende des Monats vorliegen.

Im Fokus steht dabei die Qualität von Luft und Wasser in den Klassenzimmern. Lehrer und Schüler klagen schon seit Längerem über den Geruch von Tierkot, in manchen Klassenräumen hängen laut dem Bericht eines betriebsärztlichen Dienstes bis zu zehn Duftspender, um den Gestank zu überdecken. Doch die größere Gefahr könnte vom Dämmmaterial der Schule ausgehen: Glaswolle, die sich hinter den weißen Fassadenplatten langsam löst und auf Dauer beim Einatmen gesundheitsgefährdend sein könnte.

"Wir lassen jetzt untersuchen, ob Stäube von dieser Glaswolle in den Klassenraum kommen", sagte Bürgermeister Hansjörg Höfer im Gespräch mit der RNZ. Sowohl bei geöffneten als auch bei geschlossenen Fenstern solle gemessen werden: "Ich nehme solche Bedenken sehr ernst." Dennoch sei er zuversichtlich, dass für Lehrer und Schüler keine Gefahr bestehe. Eine Fachfirma, die dort für die Entsorgung solcher Stoffe zuständig sei, habe Entwarnung gegeben. "Nur wenn man dieses Material anfasst, muss man sich schützen", so Höfer.

Genau das ist nach Angaben aus Kreisen des Kollegiums aber schon geschehen: Hinter losen Fassadenplatten hätten die Schüler Glaswolle abgerissen und zu Schneebällen geformt. Während die Mitarbeiter der Entsorgungsfirma mit Mundschutz, Handschuhen und Schutzkleidung ans Werk gehen, waren die Grundschüler nach diesen Schilderungen ungeschützt.

"Wir werden diese Abdeckungen so gestalten, dass man da nicht mehr rankommen kann", verspricht Bürgermeister Höfer. Überhaupt plane die Stadt einige Verbesserungen an dem rund 45 Jahre alten Gebäude: So sollen die doppelten Eingangstüren, für Erstklässler häufig zu schwer, durch Glastüren ersetzt werden. "Zwischen beiden Türen hatte man bisher keinen Einblick; das soll damit auch behoben werden", sagt Höfer.

Auch die Schulsozialarbeiterin soll neben dem Lehrerzimmer nun endlich ihren eigenen Raum bekommen. Genau deswegen wurden jedoch auch dort Fassadenplatten entfernt, die darunterliegende Glaswolle lag unter den Fenstern des Lehrerzimmers laut Kollegium wochenlang offen. Doch selbst wenn diese geschlossen sind, bliesen lange verschmutzte Heizkörper staubige Warmluft in den Raum. Inzwischen wurden die Heizungen gereinigt, teilweise zahlten das die Eltern.

Manche Lehrerinnen machen diese Zustände inzwischen auch als Grund für hohe Krankenstände und häufige Wechsel der Kollegen verantwortlich. "Die Lehrer hier sind krank und ausgebrannt", sagt eine von ihnen. "Wir müssen uns entscheiden, ob wir lieber den Gestank des Tierkots einatmen oder die Glaswolle von draußen." Der Schulträger, also die Stadt, wisse schon länger von diesen Zuständen. "Es ist grundsätzlich eine erbärmliche Anlage", sagt eine andere Lehrerin.

"Die Kurpfalz-Grundschule ist aus baulicher Sicht in einem altersgemäßen Zustand", sagt dagegen Bürgermeister Höfer. "Das Gebäude ist 45 Jahre alt, aber baulich immer noch in einem guten Zustand." Dass eine Rundum-Sanierung nicht möglich sei, liege lediglich an dem energetischen Aspekt. "Aber damit ist nicht gemeint, dass das gesamte Gebäude in einem schlechten Zustand ist." Das von Lehrern bemängelte braune Wasser an den Waschbecken in Klassenräumen sei zum Beispiel nur das Resultat von Arbeiten an den Leitungen, die dafür kurzzeitig stillgelegt wurden.

Elternvertreter und Lehrer sehen das anders: "Der Lehrerschaft ist nicht verständlich, dass der Stadtverwaltung das Ausmaß der baulichen Mängel nicht bewusst war", sagt Katrin Coch, Vorsitzende des Elternbeirats. "Die Lehrerschaft beklagt zudem, dass die Stadt erst nach massivem Druck aktiv wird, die erlebte Not der Lehrer wegen eventuell gesundheitsgefährdender baulicher Zustände bislang nicht wahrgenommen wurde." Das Fazit einer der Lehrerinnen: "Man fühlt sich ohnmächtig."

Ein weiteres Beispiel dafür ist die Ausschilderung von Fluchtwegen im Nordtrakt des Gebäudes: Wenn der Flur durch ein Feuer versperrt ist, sind Kinder und Lehrer in fünf Klassenzimmern demnach angewiesen, die Fenster zu benutzen - im ersten Stock, ohne Leiter. "Wir sollen aus dem Fenster springen", sagt eine Lehrerin. Im Notfall könnte die Feuerwehr dort eigentlich mit der Rettungsleiter anrücken, nur liegt vor dem Klassenzimmer ein Teich, sodass die Einsatzkräfte dort kaum Fluchtmöglichkeiten bieten können. Auf Nachfrage betonte die Pressestelle des Landratsamts, das Gebäude verfüge mit den Treppenhäusern, Rauchvorhängen und Brandschutztüren über zwei bauliche Rettungswege. "Daher ist es sehr unwahrscheinlich, dass in einem Brandfall eine Rettung über die Fenster erfolgen muss." Einig sind sich Bürgermeister und Landratsamt darüber, dass die gesetzlichen Vorschriften eingehalten werden. Das habe auch die letzte Brandverhütungsschau ergeben.

Die Stadtverwaltung hat sich inzwischen mit Eltern, Lehrern, Vertretern des Schulamtes und der Unfallkasse Baden-Württemberg getroffen und das weitere Vorgehen besprochen. Die Verwaltung sei sich ihrer Verantwortung bewusst, heißt es in einem Informationsschreiben an die Eltern. Jetzt warten alle Seiten auf die Ergebnisse der Messungen.

Hinter den Fassadenplatten ist langfaserige Glaswolle für die Schüler zum Teil offen zugänglich. Foto: Dorn

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Autor: Rhein-Neckar-Zeitung