Schriesheim im Bild 2023

27.09.2018

Falter kehren an den Kuhberg zurück

Falter kehren an den Kuhberg zurück

Pflegekonzept der Stadt zeigt erste Erfolge - Ziegen spielen dabei eine wichtige Rolle

Von Frederick Mersi

Thomas Jungblut (l.) von den Naturfreunden und Grünflächen-Beauftragter Patrick Schmidt. Foto: Dorn

Schriesheim. Wenn andere mit ihren Hunden zu Spaziergängen durch die Weinberge aufbrechen, geht Thomas Jungbluth zu seinen Schmetterlingen. Der Umweltreferent der Naturfreunde läuft jede Woche die gleiche Strecke ab und zählt die Tiere, die er dabei entdeckt.

"Tagfalter-Monitoring" nennt sich dieser Prozess, die gesammelten Daten wertet das Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung in Leipzig aus. Für Jungbluth steht fest: Das Pflegekonzept nach der Rebflurbereinigung 2009 geht auf. "Die Stadt macht trotz mancher Schelte von Naturschutzseite vieles richtig", sagt Jungbluth. Zumindest, was Schmetterlinge angeht.

Das war nicht immer so. Im Sommer 2010, knapp ein Jahr nach dem Ende der Neuordnung, trat der erste Pflegeplan des Amts für Flurneuordnung in Kraft - mit einigen Problemen. "Er ließ sich an steilen Bereichen, wenn überhaupt, nur teilweise umsetzen", sagt Patrick Schmidt, der im Bauamt der Stadt für Grünflächen zuständig ist.

Also wurde das Konzept mit einem Geografen 2015 überarbeitet - und zeigt nun erste Erfolge: Grundstücke wurden von Brombeeren und Waldreben befreit, spezielle Kräuter- und Saatmischungen wurden als künftige Nahrungsgrundlage für Insekten und Falter ausgebracht. "Am Kuhberg ist jetzt Schriesheims schönste Blumenwiese", sagt Jungbluth.

Acker-Witwenblumen, Labkraut, wilde Möhre und Schafgarbe werden dort inzwischen auch schonend gemäht - von Ziegen. Solch eine Beweidung ist laut Schmidt für die Stadt auch deutlich günstiger als der Einsatz von Elektrosensen und Rasenmähern. Das Mähen wurde auf Jungbluths Anraten verschoben, damit Schmetterlinge und Falter die Möglichkeit haben, sich in dem neu gewonnenen Lebensraum fortzupflanzen.

Wohl fühlt sich am Kuhberg deshalb inzwischen zum Beispiel der Zweibrütige Würfel-Dickkopffalter, den das Bundesamt für Naturschutz auf seiner "Roten Liste" als vom Aussterben bedroht einordnet. "Ein sehr anspruchsvoller Falter", sagt Jungbluth.

"Ob der auf lange Sicht in Schriesheim bleibt, müssen die nächsten fünf Jahre zeigen." Doch die Chancen stehen gut, auch weil der Falter ein Nutznießer des Klimawandels und der steigenden Temperaturen ist.

Seit 2013 hat Jungbluth auch regelmäßig Esparsetten-Widderchen in Schriesheim gesehen und dokumentiert; zuletzt war dieser für Fressfeinde giftige Falter mit seiner charakteristischen, rot-schwarzen Warnfärbung 1963 in der Weinstadt gesichtet worden. Jetzt ist er wieder Stammgast auf städtischen Grundstücken.

Schriesheim gewinnt damit etwas von der Artenvielfalt zurück, die auch durch die Rebflurbereinigung am Kuhberg und die damit verbundene Planie gerade bei den Vögeln verloren gegangen war. Vor allem Zaun- und Zippammern, die sich im Mosaik vieler kleiner Grundstücke und Gärten wohlgefühlt hatten, tauchen jetzt nur noch vereinzelt im südlich gelegenen Gewann Mergel auf.

Laut Jungbluth sind aber auch mindestens 25 Tagfalterarten in den vergangenen 80 Jahren aus Schriesheim verschwunden, weil die möglichen Lebensräume immer kleiner wurden oder ganz verschwanden.

Der Umweltreferent empfiehlt der Stadt deshalb zum Beispiel, Pappeln zu pflanzen und ehemalige Waldwiesentäler wie das Weite Tal in ihren ehemaligen Zustand zu versetzen. "Wir sind da dran", sagt Grünflächen-Beauftragter Patrick Schmidt. "Aber wir können da nicht einfach mit der Kettensäge durchgehen."

Drei Behörden sind zu beteiligen, die Gespräche laufen. Doch beim Naturschutz ist langfristiges Denken gefragt. "Und das Konzept am Kuhberg zeigt, dass man mit etwas Neuem auch etwas bewegen kann", sagt Jungbluth.

Copyright (c) rnz-online

Autor: Rhein-Neckar-Zeitung