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23.02.2019

Strukturreform "Pastoral 2030": Offene Diskussion statt "Zwangsehen" von oben

Strukturreform "Pastoral 2030": Offene Diskussion statt "Zwangsehen" von oben

Detlev Aurand aus Schriesheim debattierte über "Pastoral 2030" bei Diözesanversammlung - Er lobt das Vorgehen der Verantwortlichen

Pfarrgemeinderat Detlev Aurand. Foto: Dorn

Schriesheim/Freiburg. (fjm) "Im ersten Moment habe ich gedacht, das war’s", sagt Detlev Aurand. Die Nachricht, die katholische Kirche wolle ihre Pfarrgemeinden in der Erzdiözese Freiburg bis 2030 von 224 auf etwa 40 reduzieren, löste beim Vorsitzenden des für Schriesheim, Dossenheim und Altenbach zuständigen Pfarrgemeinderats Bestürzung aus: "Das ist für die Seelsorgeeinheit vor Ort erst mal erschreckend." Nach der Teilnahme an der Diözesanversammlung in Freiburg am vergangenen Wochenende wirbt er nun jedoch für eine positive Mitarbeit - und lobt das Vorgehen der Verantwortlichen bei der Ideenfindung.

"Wenn man sich das nüchtern anschaut, ist dieser Schritt nicht so falsch", sagt Aurand. Verlange das Kirchenrecht weiterhin, dass ein Priester eine Pfarrgemeinde leiten muss, sei es unumgänglich, deren Zahl zu reduzieren: "Wenn man diese Hierarchie so beibehält, ist das ein Sachzwang." Immer weniger Menschen kämen in die Gottesdienste, außerdem sei mit sinkenden Kirchensteuereinnahmen zu rechen. Die Frage ist aus seiner Sicht also nicht mehr, ob solch ein Schritt nötig sei, sondern wie er vollzogen wird. "Die Volkskirche von früher ist tot", sagt Aurand. "Wir müssen uns jetzt fragen, was macht eine lebendige Kirche aus?"

Darüber wurde auch bei der Versammlung in Freiburg diskutiert, zu der 170 aktive Ehrenamtliche eingeladen worden waren. Das Vorgehen bewertete der Pfarrgemeinderat positiv - vor allem im Vergleich zu früheren Zusammenlegungen. "Es soll nicht einfach noch mal fusioniert werden", sagt Aurand, "solche Zwangsehen sind nicht geplant". Stattdessen wurden die Ehrenamtlichen erst einmal gefragt, was ihnen unter den Nägeln brennt - in einem "Open Space"-Format unter professioneller Anleitung.

Danach ging es in zwölf Gruppen in zwölf Sälen um die wichtigsten der vorgebrachten Themen - und die Spitze des Erzbistums hörte erst mal nur zu, was die Laien zu sagen hatten. "Bei uns hat sich zum Beispiel der Generalvikar hineingesetzt, nur um zuzuhören", sagt Aurand, der mit anderen Teilnehmern vor allem über eine sinnvolle Vernetzung von Vor-Ort-Kirchen und den nächsthöheren Organisationseinheiten sprach. "Ein Thema, bei dem es um Personal und Geld geht", so Aurand. "Wir haben uns aber nicht mit den Verantwortlichen darum gestritten."

Im Gegenteil: Die Debatten seien konstruktiv gewesen, der Generalvikar habe lediglich erklärende Informationen geliefert und gebe seine Eindrücke an den Erzbischof weiter. "Dieses Bemühen, einen anderen Weg zu gehen, transparent zu kommunizieren und wirklich zuzuhören, das war gut", sagt Aurand. "Am Ende der Versammlung konnten wir auch schon schriftliche Ergebnisse mit nach Hause nehmen."

Die stellte Aurand am Freitagabend vor Ort auch den anderen Pfarrgemeinderäten vor. Bereits am Dienstag hatte er bei einem offenen Gemeindetreff von der Diözesanversammlung berichtet - die Reaktionen der Besucher waren gemischt. "Viele finden es gut, informiert zu werden", sagt Aurand. "Aber ich stelle mich auch auf schwierige Diskussionen ein." Gerade in seiner Altersgruppe sehnten sich viele Gemeindeglieder immer noch nach der katholischen Kirche von früher. "Dieser Zug ist aber definitiv abgefahren", meint Aurand.

Viele Gläubige wüssten allerdings bisher wenig oder gar nichts über den Prozess. "Das wird sich ja auch über viele Jahre hinziehen", so Aurand. "Keine der bisher diskutierten Ideen ist definitiv, nicht einmal die genannte Zahl von 40 Pfarrgemeinden." Jetzt gehe es darum, positiv an dem Prozess mitzuarbeiten und eine Struktur zu schaffen, die "Neu-Evangelisierung" fördert: "Was bringen uns Kirchengebäude, die an vielen Tagen nur für ein paar Minuten zum Beten genutzt werden?"

Die Organisation in größeren Pfarrgemeinden müsse aber auch damit einhergehen, den Priestern als Leitern professionelles Personal an die Seite zu stellen. "Die schiere Verwaltung einer solchen Einheit könnte auch ein Laie übernehmen", findet Aurand. "Um einen Kindergarten oder Gebäude zu managen, braucht man keine Priesterausbildung." Das könne auch ein hauptberuflicher Geschäftsführer übernehmen, dafür müsse das Kirchenrecht allerdings gedehnt werden.

Solche Ideen werden nun auf verschiedenen Ebenen diskutiert, im März 2021 wird dann die Diözesanversammlung wieder in Freiburg zusammenkommen. Detlev Aurand wird dort sicher erneut mitreden.

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Autor: Rhein-Neckar-Zeitung