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12.03.2019

Eisenmanns Reifeprüfung: "Ich schaffe jede Statistik ab, wo wir nicht wissen, wozu wir sie brauchen"

Eisenmanns Reifeprüfung: "Ich schaffe jede Statistik ab, wo wir nicht wissen, wozu wir sie brauchen"

Auftritt von Kultusministerin Susanne Eisenmann beim Schriesheimer Matheisemarkt

"Ich schaffe jede Statistik ab, wo wir nicht wissen, wozu wir sie brauchen", versprach Eisenmann eine Entbürokratisierung der Schulen. Foto: Peter Dorn

Susanne Eisenmann gilt als potenzielle "Jägerin", als großes politsches Talent in der Südwest-CDU. Die 44. Mittelstandskundgebung des "Bunds der Selbständigen" (BDS) könnte eine Art Bewerbungsrede sein, zumal hier seit 1970 schon zahlreiche Ministerpräsidenten (und noch mehr, die es werden wollten) ihre mal mehr, mal weniger bejubelten Auftritte haben durften.

Ob die Kultusministerin also auch noch was werden will? "Clever gemacht, aber es ist aufgefallen", weicht sie augenzwinkernd der Frage aus. "Ich bin schon was." Für alles andere gelte es, zunächst die anstehenden Kommunal- und Europawahlen zu bestehen - und danach "gemeinsam" zu einer Entscheidung zu kommen. "Zunächst allerdings parteiintern".

Gedanken hat Eisenmann sich natürlich trotzdem gemacht, wie ihre Rede vor rund 800 Gästen im Festzelt denn so laufen müsse. "Meine Mama hat immer gesagt, ich sei ein bissle a Laute", gesteht sie. Jetzt hoffe sie auf einen guten Tag und das richtige Gespür für die Atmosphäre. Fettnäpfchen will sie unbedingt meiden. "Ich werde mich weder zu Doppelnamen noch zu Toiletten äußern", verspricht sie auf Nachfrage. "Das ist durch." Sie habe keinesfalls vor, ihre Gastgeber zu blamieren.

Das Ergebnis ist dann eine sehr zielgruppenorientierte Ansprache, die Eisenmann vor gut gefüllten Festzeltreihen, vor einem wohlwollenden Publikum hält. Die Leistungsschau des Handwerks, der lokalen Unternehmen, habe sie beeindruckt, steigt Eisenmann ein. "Deshalb möchte ich mit einem Dank beginnen, einem Dank all Ihnen, die unseren Wirtschaftsstandort tagtäglich pflegen." Und sie endet nach 40 Minuten mit einem Lob: "Sie sind die Schaffer in diesem Land und nicht die Melkkühe linker Umverteilungsfantasien." So der atmosphärische Rahmen.

Inhaltlich bleibt die 54-Jährige streng im eigenen Fachgebiet. Bürokratieabbau? Verspricht sie an den Schulen im Land. "Ich schaffe jede Statistik ab, wo wir nicht wissen, wozu wir sie brauchen." Da gibt es den ersten längeren Applaus.

Gut kommt auch ihr kritischer Blick auf Abitur und Hochschulstudium an. Als sie auf Übergangsquoten aufs Gymnasium von landesweit 44 Prozent verweist, schiebt sie noch ein spöttisches "In Heidelbergs sind’s 78 Prozent - da sind sie besonders intelligent..." hinterher. Sie sei überzeugt: "Der Mensch beginnt nicht beim Abitur." Und ein Studium sei ja schön und gut: Aber Abbrecher landeten am Ende doch in der Dualen Ausbildung - warum nicht gleich damit beginnen? Den Beweis, dass der promovierte Kulturwissenschaftler besser verdiene als der Schreinermeister, habe ihr jedenfalls noch niemand erbringen können.

Ansonsten geht es um passgenaue Bildungsbiografien, Digitalisierung und die richtigen Förderansätze ("Überforderung und Unterforderung - gleichermaßen falsch"). Auch gehe Schule nicht ohne Eltern, die ihre Erzieherrolle ernst nehmen. Viele Köpfe nicken zustimmen.

War das nun die Bewerbungsrede für das Ministerpräsidentenamt, für die CDU-Spitzenkandidatur? Zumindest eine, die alle Türen offen hält. Auch wenn Eisenmann vorab im RNZ-Interview verkündet hatte, Diplomatie eigne sich eher für Stehempfänge: Sie weiß durchaus, sich auf heiklem Parkett zu bewegen.

Sie erreicht ihr Publikum, widersteht aber auch der Versuchung, schon in einen aggressiven Wahlkampfmodus zu verfallen. Die wenigen Spitzen, die sich Eisenmann erlaubt, zielen dann aber recht eindeutig auf grün-rote Bildungspolitik. Wenn auch ohne Namensnennung. SPD-Bildungsexperte Gerhard Kleinböck dürfte, in erster Reihe sitzend, innerlich gekocht haben.

Eisenmanns Schriesheimer Rede - eine bestandene Reifeprüfung. Selbst den letzten Fallstrick wittert die Schwäbin. Und schmettert inbrünstig das Badnerlied mit.

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Autor: Rhein-Neckar-Zeitung