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20.05.2019

Kandidaten Freie Wähler: Das sagen die Jüngste und der Älteste

Kandidaten Freie Wähler: Das sagen die Jüngste und der Älteste

Bernd Hegmann (62) und Sofia Hartmann (19) kandidieren für die Freien Wähler in Schriesheim - Beide bemängeln den Informationsfluss im Rathaus

"Das Gremium muss insgesamt aktiver werden", fordert FW-Stadtrat Bernd Hegmann. Auch Mit-Kandidatin Sofia Hartmann sieht noch Luft nach oben. Foto: Dorn

Von Frederick Mersi

Schriesheim. "Wir haben kein Problem mit verschiedenen Meinungen", sagt Bernd Hegmann. Das wird im Doppelinterview mit Sofia Hartmann schnell deutlich: Zu einem Neubaugebiet Süd vertreten die beiden unterschiedliche Auffassungen.

Herr Hegmann, Sie sind erst 62 Jahre alt. Wussten Sie, dass Sie der Alterspräsident bei den Freien Wählern sind?
Hegmann: Das war mir bei der Erstellung der Liste bekannt. Über die Listen hinweg bin ich aber der Jüngste der Ältesten.

Ist die Verjüngung also geglückt?
Hegmann: Wir müssen jetzt einen Generationswechsel schaffen. Einige langjährige Stadträte hören auf oder haben das bereits getan. Daher kann ich mit der Rolle des Alterspräsidenten sehr gut leben, wir setzen uns aber weiter für Senioren ein.

Frau Hartmann, die Freien Wähler legen Wert auf Unabhängigkeit bei Entscheidungen. Hatten Sie denn eine andere Wahl, als sich dort zu engagieren?
Hartmann: Ich bin da familiär ein bisschen belastet, mein Opa war ja Gründungsmitglied der Freien Wähler. Wenn ich mich bei einer anderen Partei engagieren wollte, hätte ich das tun können. Für mich war aber klar, dass ich bei den Freien Wählern sein will.

Wie haben Ihre Freunde auf die Kandidatur reagiert?
Hartmann: Meine Freundin und Weinkönigin Sophie Koch hat sich bei der CDU aufstellen lassen, für sie war das also nichts Besonderes. Und die meisten meiner Freunde wussten, dass ich mich auch schon im Jugendgemeinderat engagiert hatte. Viele haben das wohl geahnt.

Welche Schulnote würden Sie dem aktuellen Gemeinderat ausstellen?
Hegmann: Zwei minus, mit Luft nach oben. Das größte Manko ist die Kommunikation. Seitens der Verwaltung werden wir über viele Dinge schlecht informiert, vor allem im Bereich des Baumanagements. Von Verzögerungen erfahren wir manchmal erst aus der Presse. Auch die Transparenz bei den Abrechnungen ist nicht ausreichend, das muss der Gemeinderat deutlicher einfordern. Das Gremium muss insgesamt aktiver werden. Ein Positivbeispiel dafür ist die Arbeitsgruppe "Barrierefreiheit und Verkehr" über Fraktionsgrenzen hinweg.
Hartmann: Ich würde eine 3,5 geben. Durch meine Arbeit im Jugendgemeinderat habe ich einen kleinen Einblick erhalten. Als wir Bänke in den Weinbergen aufstellen lassen wollten, hat das zwei Jahre gedauert. Viele Dinge geschehen viel zu langsam.

Gibt es Themen, bei denen Sie sich nicht einig sind? Wie sieht es denn zum Beispiel bei der KGS-Sanierung aus?
Hartmann: Dass etwas gemacht werden muss, ist klar. Bei mir ist es auch noch nicht so lange her, dass ich dort zur Schule gegangen bin. Wenn Deckenplatten ohne Vorwarnung auf den Boden fallen, ist das nicht ohne.
Hegmann: Nur über den Weg dorthin gab es kontroverse Diskussionen. Wir hätten es nach dem Klausurbeschluss von Bad Wimpfen gern gesehen, dass zwölf Millionen Euro für das gesamte Schulzentrum zur Verfügung gestellt werden. Dann ging es darum, diese Summe nur ins Gymnasium zu investieren. Bei der Abstimmung waren wir knapp unterlegen. Da sind wir Demokraten genug, um das zu akzeptieren. Aber wir werden diesen Prozess weiterhin kritisch begleiten. Denn die Kosten werden nachfolgende Generationen stemmen müssen.

Und wie stehen Sie zu einem Neubaugebiet Süd?
Hegmann: Wir brauchen das unbedingt, weil wir in Konkurrenz zu den umliegenden Kommunen stehen. Zudem spricht vieles dafür, dass die Einnahmen aus den Grundstücksverkäufen zur Sanierung des Gymnasiums benötigt werden. Unsere Fraktion wird sich deshalb mehrheitlich zu einem Neubaugebiet bekennen.
Hartmann: Klar braucht man Wohnraum und die finanziellen Mittel, aber ich bin nicht überzeugt, dass die Rechnung der Stadt so aufgehen kann. Der immer noch ländliche Charakter Schriesheims ist eine große Stärke. Deshalb bin ich nicht dafür.

Was würden Sie im Gemeinderat als erstes umsetzen, wenn Sie einen Wunsch freihätten?
Hegmann: Im Moment hat die KGS-Sanierung absoluten Vorrang. Das müssen wir vernünftig über die Bühne bringen.
Hartmann: Für mich hat das Gymnasium auch Priorität, aber ebenso die Infrastruktur und die Anbindung der Ortsteile. Ohne finanzielle Grenzen wäre ein Bus alle 20 Minuten in Richtung Altenbach toll.
Hegmann: Beim Nahverkehr ist es wirklich ärgerlich, dass Schriesheim mit am meisten zahlen muss, weil viele RNV-Streckenkilometer auf der Gemarkung liegen.

Bezüglich des RNV-Beitrags hat sich in der Zwischenzeit wenig getan. Gibt es da auch Momente der Frustration?
Hegmann: Ich war damals bei einer Sitzung im Landratsamt dabei - und der Landrat kam mir wie der Geschäftsführer der RNV vor. Da klemmt es ganz gewaltig. Ich habe am Anfang gedacht, dass Dinge schneller gehen. Aber die Mühlen der Kommunalpolitik mahlen sehr langsam.

Sind Sie dafür bereit, Frau Hartmann?
Hartmann: Ja, sonst würde ich nicht kandidieren. Genug Zeit habe ich auch.

Warum sollten die Schriesheimer den anderen oder die andere wählen?
Hegmann: Sofia hat einschlägige Erfahrung. Und warum sollen die Jungen nicht bei den Entscheidungen mitwirken, die weit in die Zukunft ausstrahlen?
Hartmann: Bernd hat Erfahrung, geht realistisch an Prozesse heran und hat die Geduld, um dranzubleiben.

HINTERGRUND
Die RNZ stellt die ältesten und jüngsten Kandidaten der Listen der Gemeinderatsfraktionen zur Kommunalwahl vor. Heute die Freien Wähler:

> Bernd Hegmann (62) ist Polizeibeamter außer Dienst und kandidiert auf Listenplatz drei. Seine Fachthemen sind Finanzen und Senioren.

> Sofia Hartmann (19) ist die Enkelin des Mitbegründers der Freien Wähler in Schriesheim, Ehrenbürger Peter Hartmann. Die Auszubildende zur Zahntechnikerin kandidiert auf Listenplatz sechs. Ihr liegen die Jugend und das Stadtbild am Herzen. fjm

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Autor: Rhein-Neckar-Zeitung