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22.05.2019

Kommunalwahl in Schriesheim: "Verbraucherhaltung ist die falsche Einstellung"

Kommunalwahl in Schriesheim: "Verbraucherhaltung ist die falsche Einstellung"

Ernst-Wilhelm Schaulinski (75) und Max Grauer (18) kandidieren für die FDP - Beide plädieren für mehr Eigeninitiative

"Starke Frauen brauchen auch starke Männer im Hintergrund, nicht nur umgekehrt", sagt Ernst-Wilhelm Schaulinski (l.). Auch für Max Grauer ist die FDP Familienangelegenheit. Foto: Dorn

Von Frederick Mersi

Schriesheim. Der eine macht gerade Abitur, der andere hat nach zahllosen Umzügen seine Heimat in Schriesheim gefunden: Max Grauer und Ernst-Wilhelm Schaulinski vereint ihr Interesse an den Freien Demokraten - und politisches Engagement als Familienangelegenheit.

Herr Schaulinski, Sie waren lange als Übungsleiter eines Seniorentanzkreises aktiv. Ist der Wahlkampf bisher Tango oder Walzer?
Schaulinski: Für mich selbst ist es eine Kür (lacht). Ich habe zwar immer mit der FDP geliebäugelt, war aber nie Mitglied. Deshalb stand ich im Wahlkampf auch nie in der vordersten Reihe, ich habe mich immer eher in Vereinen engagiert. Aber um bei dem Vergleich zu bleiben: Ich hoffe, dass es kein Rock’n’Roll wird.

Warum kandidieren Sie?
Schaulinski: Ich bin gern dabei, auch um die Liste zu füllen und damit dem Ziel des zweiten Ratssitzes für die FDP näherzukommen. Nur habe ich keine Ambitionen, das jetzt besser zu machen als meine Frau früher (die ehemalige Stadträtin und FDP-Landtagsabgeordnete Birgit Arnold, Anm. d. Red.). Das schaffe ich auch gar nicht.

Herr Grauer, wie fühlt man sich als Jüngster auf der ältesten Liste?
Grauer: Als ich das erste Mal mit meinen Eltern zu einer FDP-Veranstaltung gekommen bin, habe ich schon gemerkt, dass durch meine Anwesenheit der Altersschnitt rapide gesunken ist. Aber die Meinung eines Jüngeren kann da viel bringen. Ich werde jetzt nicht voranpreschen, habe aber Spaß daran, mich einzubringen.

Woran fehlt es in der Jugendarbeit?
Grauer: Es gibt wenige Angebote speziell für Jugendliche und keinen Ort, an den man immer gehen kann. Die Jugend sollte hier mehr an der Politik teilhaben, deswegen finde ich es gut, dass jetzt viele junge Menschen kandidieren.
Schaulinski: Für Schriesheim ist es aber auch schwierig, etwas Attraktives für die Jugend anzubieten. In der Nähe liegen mit Heidelberg und Mannheim zwei Großstädte, in denen deutlich mehr geboten wird. Da muss man sich fragen: Ist das in Schriesheim wirklich notwendig?
Grauer: Ein aufwendiges Programm auf die Beine zu stellen, würde auch nichts bringen. Das wird vermutlich nicht angenommen. Aber ein Ort, an dem sich die Jugend treffen kann, wäre sinnvoll. Denn Schriesheim ist keine allzu kleine Stadt.

Welche Note würden Sie Schriesheim aus Sicht Ihrer Generation geben?
Schaulinski: Es fehlt nicht allzu viel, muss ich sagen, auch wenn es immer Luft nach oben gibt. Ich würde eine 2,7 geben. Allerdings finde ich auch, dass man nicht immer nur fragen darf: Was wird für uns getan? Diese Verbraucherhaltung ist die falsche Einstellung. Die Frage ist: Was tust Du selbst? Ich engagiere mich beim ASS und muss sagen: Das tut mir gut.
Grauer: Soll ich die Bewertung in Punkten oder in Schulnoten geben?

Als Abiturient gern in Punkten.
Grauer: Dann gebe ich acht oder neun Punkte. Aber die Eigeninitiative, von der Herr Schaulinski gesprochen hat, ist auch für mich ein Grund gewesen, mich bei der FDP zu engagieren. Man ist ja nie mit dem Parteiprogramm zu hundert Prozent einverstanden, aber dieser Grundgedanke gefällt mir.

Für Sie beide ist die FDP eine Familienangelegenheit. Wie würden Sie denn reagieren, wenn Sie gewählt würden?
Schaulinski: Aus gesundheitlichen Gründen könnte das wirklich schwierig werden. Aber so bekannt bin ich in Schriesheim nicht, daher ist das schon unrealistisch. Es geht um den zweiten Sitz im Rat. Andere Fraktionen können die Aufgaben gut verteilen, bei uns muss Wolfgang Renkenberger alles selbst machen. Meine Frau weiß von früher noch, was für ein Knochenjob das ist.
Grauer: Dadurch, dass meine Zukunft nach dem Abitur sowieso etwas ungewiss ist, habe ich noch nicht festgelegt, ob ich tatsächlich ein Mandat übernehmen würde.

Was stimmt Sie optimistisch, dass es dieses Mal für den zweiten Sitz reicht?
Schaulinski: Das ist schwierig zu sagen. Aber durch die Gründung der Liberalen Frauen ist da ein neuer Drive hereingekommen, das hilft in der Außendarstellung. Es kandidieren zwar nicht so viele Frauen bei der FDP, die sind aber sehr engagiert.

Herr Grauer, Ihre Mutter ist auch bei den Liberalen Frauen aktiv und kandidiert auf Listenplatz vier. Hat sich das Familienleben dadurch geändert?
Grauer: Auf jeden Fall. Bei uns stehen jetzt immer riesige Pakete mit Flyern und Plakaten zu Hause: für die Kreistags- und die Kommunalwahl, den Ortsverband und die Liberalen Frauen. Die Gespräche drehen sich auch immer mehr darum, und meine Mutter ist viel auf Veranstaltungen unterwegs. Aber ich finde das gut.
Schaulinski: Ich kann mich noch erinnern, als bei uns im Wahlkampf zu Hause Plakatwände zum Trocknen herumstanden (lacht). Damals war ich Fahrer, Fotograf und Bodyguard in einer Person. Starke Frauen brauchen auch starke Männer im Hintergrund, nicht nur umgekehrt.

Hintergrund
Ernst-Wilhelm Schaulinski (75) ist Ingenieur im Ruhestand, in mehreren Vereinen aber aktiv. Er kandidiert auf Listenplatz 13, sein Schwerpunktthema ist Generationengerechtigkeit.

Max Grauer (18) absolviert gerade sein Abitur am Kurfürst-Friedrich-Gymnasium. Sein Schwerpunktthema ist die Jugend. Grauer kandidiert auf Listenplatz 14, seine Mutter auf Platz vier, sein Stiefvater auf Platz 16. (fjm)

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Autor: Rhein-Neckar-Zeitung