Schriesheim im Bild 2023

08.08.2019

Der Stadtteil Altenbach stirbt langsam weiter

Der Stadtteil Altenbach stirbt langsam weiter

Mit dem "Sonus" hat das letzte Restaurant geschlossen. Bei den Einwohnern weicht die Wut der Resignation.

Galgenhumor zum Abschied: Auch gegen Bezahlung bekommen Altenbacher im Restaurant "Sonus" seit 15. Juli keine Getränke mehr. Die Betreiber setzen ihre Hoffnungen jetzt in einen Imbiss in den Mannheimer Quadraten. Foto: Dorn

Von Frederick Mersi

Schriesheim-Altenbach. Eigentlich waren sie alle zufrieden: die Betreiber mit den Altenbachern und die Altenbacher mit den Betreibern des Restaurants "Sonus". Trotzdem ist nach sechs Jahren Schluss: Der Schriesheimer Stadtteil hat am 15. Juli sein letztes Restaurant im Ortskern verloren, jetzt hält die "Kegelstube" als letztes Lokal die Gastronomie-Fahne hoch.

Seit 2017 hat Altenbach schon seine letzte Bankfiliale und den letzten Lebensmittelmarkt schließen sehen (siehe Hintergrund). Die Reaktionen fallen daher gedämpft aus, viele haben sich schon an den schleichenden Verfall der Infrastruktur gewöhnt.

"Wenn die Betreiber nicht genug verdienen, ist das verständlich", sagt Susanne Klug, die gerade auf dem kleinen Wochenmarkt eingekauft hat, der jeden Mittwoch am Ortsmittelpunkt zu Gast ist. "Es ist schön, dass wir zumindest noch diesen Markt haben."

Auch Lothar Pfeifer äußert Verständnis für die Schließung: "Wenn die Gaststätte keine ortsfremden Leute anziehen kann, rentiert sich das in Altenbach nicht." Der Betreiber habe sich Mühe gegeben, jedoch erfolglos: "Jetzt muss ich zum Essen eben nach Schriesheim oder Wilhelmsfeld fahren." Für eine andere Markt-Besucherin ist das keine Option: "Ich kann nicht mit dem Auto fahren, also kann ich auch nirgendwo mehr ins Restaurant - außer wenn mich meine Kinder abholen." In ihrer Stimme schwingt Bitterkeit mit: "Man kann Altenbach bald komplett schließen."

Auch Ortsvorsteher Herbert Kraus (Freie Wähler) beklagt den weiteren Verlust von Infrastruktur in Altenbach. "Die Schließung kam für uns alle überraschend", sagt er. "Natürlich hoffen wir jetzt, dass sich ein neuer Gastronom für die Räume finden lässt." Das dürfte jedoch nicht leicht werden: Die Parkmöglichkeiten in unmittelbarer Nähe sind begrenzt, das Gebäude direkt an der viel befahrenen Hauptstraße gelegen. Der Eigentümer des Hauses war zunächst nicht für eine Stellungnahme erreichbar.

Selbst der Betreiber des Restaurants, Tajinder Singh, bedauert die Schließung des "Sonus": "Wir kennen die Leute dort sehr gut, und wir waren sehr zufrieden." Seit zwei Jahren sei die Zahl der Gäste aber immer weiter zurückgegangen, trotz Spezialangeboten und besonderer Anlässe wie dem "Ausgraben" der Kerwe, die dort zuletzt regelmäßig stattfanden. "Wir haben die Menschen auch gefragt, was wir falsch machen", sagt Singh. "Aber niemand hatte wirklich etwas auszusetzen."

Vor etwa zwei Monaten bekam Singh die Chance, einen Imbiss in Mannheim zu eröffnen - und sagte zu: Am 15. August wird "Naan & Curry" im Quadrat U5 zum ersten Mal seine Türen öffnen. "Wir haben große Hoffnungen dafür", sagt Singh. "Hier wohnen auf jeden Fall deutlich mehr Menschen."

Dass ländliche Regionen unter einem Gaststättenschwund leiden, bestätigt der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga). Im Neckar-Odenwald-Kreis ging die Zahl der Betriebe laut Statistischem Landesamt zwischen 2008 und 2017 um mehr als 17 Prozent zurück, im Rhein-Neckar-Kreis um mehr als sieben Prozent. "Das Dorf allein ernährt den Wirt nicht mehr", heißt es dazu vom Dehoga. "Wer nur ,am Weg liegt’, verliert. Dorfgasthäuser brauchen heute einen deutlich größeren Einzugsbereich als früher."

Hintergrund:
Seit 2017 hat Altenbach trotz des Branichtunnels einen Großteil seiner Infrastruktur verloren

Herbert Kraus ist es inzwischen gewohnt, die Schließungen von Geschäften, Bankfilialen und Gastronomien kommentieren zu müssen. "Das ist natürlich ein absoluter Verlust für unseren Ort", sagte Altenbachs Ortsvorsteher im Oktober 2016. Damals kündigte die Sparkasse an, in wenigen Monaten ihre Filiale zu schließen. Er könne nicht glauben, dass das Kreditinstitut dem Konkurrenten einfach so das Feld überlasse, sagte Kraus - nur um zwei Jahre später erleben zu müssen, wie der Konkurrent nachzog.

Die Volksbank Kurpfalz schloss ihre Filiale zwar nicht ganz. Allerdings sind dort keine Mitarbeiter mehr zu regelmäßigen Öffnungszeiten anwesend, nur der Selbstbedienungsbereich ist noch verfügbar. Zuvor hatte schon Hermann Pröll angekündigt, sein nur noch an Vormittagen geöffnetes Lebensmittelgeschäft schließen zu wollen.

Ein Rezept gegen den Wegfall von Infrastruktur in Altenbach hat die Kommunalpolitik indes noch nicht gefunden. Ortsvorsteher Kraus verlegte sich neben dem Bedauern der Verluste darauf, die Altenbacher selbst für die Schließungen verantwortlich zu machen: "Da sollten sich die Leute mal an die eigene Nase fassen", sagte Kraus im Oktober 2018. Auf der einen Seite beschwerten sich viele alte Menschen darüber, dass es kaum mehr Einkaufsmöglichkeiten in Altenbach gebe. Andererseits führen sie mit dem Bus nach Schriesheim und kauften bei Aldi oder Lidl ein, "nur weil es dort ein paar Euro günstiger ist".

Immerhin bestreiten drei Anbieter seit August 2018 immer mittwochvormittags einen kleinen Wochenmarkt am Ortsmittelpunkt. Das Lokal "Zur Kegelstube", nach der Schließung des Restaurants "Sonus" die letzte verbliebene Gastronomie, darf seit Juli 2017 einen kleinen Außenbereich am Ortsmittelpunkt bewirtschaften.

Dass Altenbach alles andere als ausgestorben ist, beweisen auch Feste wie die alljährliche Kerwe oder das Dorfplatzfest des Männergesangvereins Liederkranz. An ehrenamtlichem Engagement mangelt es also nicht - aber an zahlenden Kunden im Alltag. Daran hat auch die herbeigesehnte Eröffnung des Branichtunnels vor etwa drei Jahren nichts geändert. (fjm)


Seit Dezember 2018 ohne Mitarbeiter: die Volksbank-Filiale in Altenbach. Foto: Dorn

Copyright (c) rnz-online

Der Stadtteil Altenbach stirbt langsam weiter-2

Autor: Rhein-Neckar-Zeitung