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15.08.2019

Ein Wald voller Probleme

Ein Wald voller Probleme

Klimawandel, Schädlinge, zu wenig Personal: Dem Kreisforstamt bereiten die Bäume rund um Schriesheim derzeit eine Menge Sorgen

Ernste Mienen: CDU-Landtagsabgeordnete Julia Philippi besichtigte mit den Förstern Michael Jakob (l.) und Walter Pfefferle (2.v.r.) sowie Nicolas Noe den Schriesheimer Wald. Foto: Dorn

Von Volker Knab

Schriesheim. "Wir wollen nichts überdramatisieren", betont Walter Pfefferle bei der Waldbegehung mit der Landtagsabgeordneten Julia Philippi (CDU). Aber was der Förster ihr zeigt, reicht: hitzegeschädigte Buchen. Es sind Folgen der Extremtemperaturen im Juni und Juli dieses Jahres. Rindenbruch zeugt davon. Jetzt sind die Stämme anfällig für den Pilz und müssen so schnell wie möglich raus aus dem Wald.

Die Buche gelte als der "Charakterbaum des deutschen Waldes", sagt Pfefferle. "Wenn es dem an diesem Standort, mitten im Wald so schlecht geht, muss man sich ja schon um den ganzen Wald fürchten." Aber es soll ja nichts "überdramatisiert" werden, greift er seinen Eingangssatz wieder auf. "Die hat einen Sonnenbrand", erläutert Nicolas Noe, der während seines Studiums der Forstwirtschaft ein Semesterpraktikum im Schriesheimer Revier absolviert.

Durch den extremen Hitzesommer 2018 und die damit verbundene monatelange Trockenheit ist die Feuchtigkeit des Bodens in einer Tiefe von 1,80 Meter trotz Niederschlägen in Herbst und Winter noch nicht wieder erreicht. Das ergab eine im Juli vorgenommene Vergleichsmessung, sagt Pfefferle.

Trotzdem: Im Vergleich zu anderen Waldgebieten in Baden-Württemberg und Deutschland sieht die Lage im Revier der beiden Forstleute relativ gut aus. Durch Hitze und Trockenheit abgestorbene oder durch Schädlinge angegriffene Bäume wurden und werden weiter aus dem Wald herausgebracht und bespritzt, damit die Schädlinge sich nicht weiterverbreiten können. Dadurch entstandene Lücken werden, sofern es möglich ist, wieder mit jungen Setzlingen aufgefüllt.

"Generell versuchen wir Nachpflanzungen zeitnah vorzunehmen", so Pfefferle. Aber die kosten zum einen Geld und zum anderen haben die Förster ein Problem: Sie wissen noch nicht, wie neue Arten mit den Klimaveränderungen umgehen. Das zeigt sich besonders an der "Hohen Waid" bei Douglasien oberhalb von Hirschberg: Die Bäume sind braun, hitzegeschädigt und werden bald absterben. Dabei sollen sie nach dem Willen der Forstämter eigentlich als Ersatz für die Fichten dienen, denen der Klimawandel besonders zusetzt.

Landespolitikerin Philippi erkundigt sich, ob der Geldbedarf des Forstamts schon feststeht. Schließlich gibt es finanzielle Unterstützung für staatliche, kommunale und private Waldbesitzer, und der Doppelhaushalt 2020/21 für Baden-Württemberg wird demnächst vorgestellt. Wie viel Geld die Forstleute brauchen, soll bald feststehen: Im Moment wird der zehn Jahre gültige Waldbewirtschaftungsplan aufgestellt.

Die nächste Station der Waldbegehung ist eine gelungene Wiederaufforstung: In engem, aber genau berechnetem Abstand ziehen sich am "Hermannsgrund" die Reihen frisch gesetzter Jungbäume in Plastikkorsetts zum Schutz vor Wildverbiss den Hügel hoch. Bis Anfang April wurden auf der rund 0,6 Hektar großen Lichtung nach Hitzeschäden Jungbäume gepflanzt, 800 Roteichen und 400 Winterlinden.

Dank einer Spende sanken die Kosten für die Neupflanzungen, laut Pfefferle liegen diese normalerweise bei sechs bis sieben Euro. Aber nicht nur das Aufforsten kostet. Müssen Bäume wegen Schädlingsbefall gefällt und verkauft werden, sinkt der Preis. Wie tiefgreifend die Folgen des Hitzesommers 2018 sind, steht trotz der bereits bekannten Probleme noch lange nicht fest: Die Schäden sind nicht gleich erkennbar, weil vor allem die Wurzeln der Bäume in Mitleidenschaft gezogen werden. Nach einem Hitzesommer "dauert es zehn Jahre, bis der Wald sich komplett erholt hat", sagt Kreisförster Michael Jakob.

Ein halbes Jahr andauernde Hitze und Trockenheit wie 2018 habe er noch nie erlebt, sagt er. Heiße Sommer gebe es in immer kürzeren Abständen, heimische Baumarten wie Ulmen oder Eschen hätten damit massive Probleme. Bei den Laubbäumen komme die Eiche vor der Buche mit dem Klimawandel noch am besten klar. Aber die Förster setzen nicht mehr auf deutsche Eichen, sondern auf die amerikanische Roteiche. "Die ist sehr widerstandsfähig gegen Hitze und Trockenheit", so Jakob.

Zäh und widerstandsfähig müssen in Zeiten des Klimawandels auch die Mitarbeiter des Kreisforstamts sein: Denn die Arbeit, die mit und nach einem solchen Ereignis anfällt, sprengt im Grunde die Personalkapazität des Forstreviers. Dabei sei man in Schriesheim noch gut aufgestellt, sagt Jakob. "Wir haben unseren Trupp von vier Mitarbeitern, die jetzt nach den zwei heißen Monaten nur im Wald waren und die geschädigten Bäume rausholen."

Das muss wiederum im Sommer geschehen: Wenn das Laub erst einmal abgefallen ist, sei es selbst für Experten nicht so einfach, geschädigte Bäume eindeutig zu erkennen, gibt Forstwirtschaftsstudent Noe zu bedenken. Durch den Klimawandel kommt gleichzeitig immer mehr Arbeit auf die Forstämter zu, die im Laufe der Jahrzehnte immer größere Gebiete bewirtschaften müssen.

"Das Revier ist heute doppelt so groß wie vor drei Jahrzehnten, als ich meinen Beruf angefangen habe", sagt Jakob. "1992 waren es 750 Hektar, heute sind es 1500 Hektar." Das Landwirtschaftsministerium wolle im nächsten Haushalt mehr Mittel für Personal bereitstellen, sagt Abgeordnete Philippi. Das wäre zumindest eine gute Nachricht für einen Wald voller Probleme. > Hintergrund

Hintergrund:
Der Grund: Durch den Exotenwald in Weinheim bekam der benachbarte Schriesheimer Bezirk im vergangenen Jahrhundert Douglasien. Seither werden im Forstrevier Schriesheim Erfahrungen mit dieser Baumart gesammelt. Wissen, das jetzt sehr gefragt ist. Denn ein Problem beim Neupflanzungen sind fehlende Erfahrungswerte. Es dauert immer eine Baumgeneration, bis die Forstleute wissen, wie die nichtheimische Art auf den neuen Standort reagiert.

Die Ernte der Neuanpflanzungen erleben sie dabei in der Regel nicht mehr: Rotbuchen werden im Alter von 140 bis 160 Jahren geschlagen. Bei Kiefern oder Douglasien erfolgt der Einschlag im Alter von 80 bis 100 Jahren. (vkn)

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Autor: Rhein-Neckar-Zeitung