Schriesheim im Bild 2023

12.06.2020

Das legendäre Holzfass aus dem "Schwarzen Adler" steht zum Verkauf

Nur in liebe Hände abzugeben - Weingüter haben kein Interesse

Von Micha Hörnle

Schriesheim. 33 Jahre lang, von 1964 bis 2007, schmückte das reich verzierte, handgeschnitzte Holzfass den Nebenraum des ehemaligen Restaurants "Schwarzer Adler". Als Ellinor und Mathias Grüber vor 13 Jahren den Betrieb des Lokals und des Hotels aufgaben, kaufte ihnen das Fass Ludwig Jäck (1935-2013, bekannt als "Jäcke Lui"), der in seinem Aussiedlerhof eine große Sammlung von landwirtschaftlichen Geräten zusammengetragen hatte, ab; noch im "Adler" wurde es auseinandergebaut und dann in einer pfälzischen Schreinerei aufwändig restauriert. Doch im Grunde konnten die Nachkommen vom "Jäcke Lui" nichts mit dem Fass anfangen, und so stellte es sein Enkel Johannes Jäck beim Verkaufsportal "Ebay-Kleinanzeigen" ein.

"Bei uns stand es nur in der Halle herum", sagte Jäck auf RNZ-Anfrage. Wir haben dafür keine Verwendung – und auch keinen Platz mehr." Eigentlich hätte das 2,50 Meter hohe, 2,20 Meter lange und 1,60 Meter breite Holzfass in den 2013 eröffneten Hofladen integriert werden sollen – am besten in seiner ursprünglichen Funktion, schließlich hat sein Bruder Max Jäck 2014 sein eigenes Weingut gegründet (während sich Johannes Jäck um den Obstanbau kümmert). Doch ein Küfer riet davon ab, berichtet Johannes Jäck: "In dem Fass wurde 20, 30 Jahre lang kein Wein mehr gelagert, da ist es für diesen Zweck jetzt unbrauchbar. Und für reine Deko-Zwecke ist es einfach zu groß."

Als Notlösung hätte man den reich geschnitzten Kopf (das Hinterteil ist ganz schmucklos) absägen und im Hofladen aufhängen können, aber dann wäre es schade um das Stück alter Handwerkskunst gewesen. Und so reifte der Entschluss bei den Jäcks, das alte Fass zu verkaufen. Zunächst kontaktierte Johannes Jäck die Weingüter der Stadt – von Bielig über Wehweck bis hin zur Winzergenossenschaft –, aber das hieß es immer: "Kein Interesse, zu groß."

Schließlich stellte es Jäck letzte Woche im Internet-Verkaufsportal ein. Einen Preis nennt er in der Anzeige nicht: "Verhandlungsbasis", aber eine Vorstellung, was er gerne haben möchte, hat er schon: "Alles zwischen 1000 und 1500 Euro wäre ein realistischer Preis, wenn man bedenkt, wie viel heute solch ein Fass kosten würde – wohl so um die 15.000 Euro." Es habe schon einige Anfragen gegeben, aber das waren wohl eher Schnäppchenjäger, die nur einen Hunderter springen lassen wollten.

Das Fass ist ein stolzes Stück Lokal- und Weingeschichte: Angefertigt wurde es vom Weingut Grüber, das den Schlossberg bewirtschaftete – und zwar zum Stadtjubiläum 1964, dem Jahr, in dem Schriesheim wieder zur Stadt erhoben wurde. Das Weingut Grüber war Nachfolger der Grafen von Oberndorff, die im 19. Jahrhundert den Riesling an die Bergstraße gebracht hatten. 2007 kam die Winzergenossenschaft im Zuge der Rebflurbereinigung in den Besitz der zwei Hektar in Bestlage (und kaufte noch ein Stück des ehemaligen Weinguts Bartsch dazu); 2015 gab es zum ersten Mal wieder den Schlossberg-Riesling.

Das Fass zeigt im oberen Bogen die Strahlenburg und den Schlossberg, umrahmt von Reben, die sich auch im unteren Teil fortsetzen. In der Mitte verweist ein Schriftzug auf das Jubiläumsjahr und das Schriesheim-Lied. Stadthistorisch besonders bedeutsam: Der Name des ersten regulären Nachkriegsbürgermeisters Wilhelm Heeger (1905-1993), der von 1954 bis 1974 amtierte, seines Stellvertreters und späteren Ehrenbürgers Peter Hartmann (1914-2018) sowie von 15 weiteren Gemeinderäten sind eingeschnitzt – umrahmt vom Wappen der Stadt. Insofern trifft Johannes Jäcks Urteil zu: "Das ist etwas Historisches von Schriesheim, und ich fände es schade, wenn das Fass nach außerhalb verkauft werden würde." Und was wäre ihm selbst am liebsten? "Für mich wäre es am schönsten, wenn es im Zehntkeller ausgestellt werden würde, damit man auch als Schriesheimer etwas davon hat." Nur die Chancen dafür stehen nicht allzu hoch: Bei der Sanierung des Gewölbes 2016 wurden alle alten Fässer entfernt.

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Autor: Rhein-Neckar-Zeitung