Schriesheim im Bild 2023

08.08.2020

Eine Chorprobe wie im Aquarium

Der MGV Eintracht probte erstmals im ehemaligen Autohaus Gärtner - Die Stimmen waren trotz Zwangspause nicht eingerostet

Von Micha Hörnle

Schriesheim. Zugegeben: Das sah schon etwas seltsam aus, als sich am Donnerstagabend 28 Sänger vom MGV Eintracht in der Verkaufshalle des ehemaligen Autohauses Gärtner an der B 3 versammelten, um zum ersten Mal nach fast fünf Monaten wieder gemeinsam zu proben. Und ein Glück, dass sich Dirigent Hans Kaspar Scharf so positioniert hatte, dass die Sänger nicht vom aufregenden Treiben auf der Landstraße abgelenkt wurden, sondern ihn konzentriert fixierten. Denn von dort aus starrten manchmal Passanten etwas ungläubig in das so lange unbelebte Glashaus – fast so, als würden sie vor einem Aquarium stehen. Die 28 Herren indessen hatten nur Augen und Ohren für Scharf und hatten sichtlich Freude, endlich mal wieder ihre sonoren Stimmen erklingen lassen zu können – wenn auch mit gehörigem Sicherheitsabstand wegen der Aerosole, also der Tröpfchen, die seit Corona so gefürchtet werden: Die Stühle standen 1,50 Meter seitwärts und sogar zwei Meter noch vorne voneinander weg, jede Position hatte vorher Vereinsvorsitzender Helmut Hölzel genau ausgemessen und mit Klebeband markiert.

Nicht nur das Ambiente mit den alten Schildern "Verkauf", "Info+Kasse" oder "Serviceannahme" war gewöhnungsbedürftig, auch die Akustik, denn manchmal verstand man den Dirigenten nicht so gut. Aber der hatte nach der Zwangspause seine Männer schnell wieder im Griff – und mit seinem weichen hessischen Tonfall klang die Kritik an manchen Gesangspassagen eigentlich recht freundlich: "Da waren gute Stellen dabei." Denn an diesem Abend hatte man sich das "Türkische Schenkenlied" von Felix Mendelssohn-Bartholdy vorgenommen, der Text stammt von keinem Geringeren als Johann Wolfgang von Goethe: "Setze mir nicht, du Grobian, den Krug so derb vor die Nase! Wer Wein bringt, sehe mich freundlich an, sonst trübt sich der Elfer im Glase." Der Elfer, das sollte man wissen, steht für einen besonders guten Wein des Jahrgangs 1811 – ganz passend für eine Weinstadt. "Akustik und Abstand erfordern eine erhöhte Aufmerksamkeit", mahnte Scharf, um aber gleich hinterherzuschicken: "Ihr werdet von Minute zu Minute besser." Auch wenn sich nicht jeder sofort daran hielt, "Grobi-an" und nicht "Grobijan" zu singen.

Erika Hölzel übernimmt sonst eigentlich im Vereinsheim den Thekendienst, aber dieses Mal war sie für die Kontaktdatenliste zuständig, überhaupt musste beim Ordnungsamt ein dreiseitiges Hygienekonzept für diesen neuen Proberaum vorgelegt werden. Sie meinte, als manche Passagen mehrfach geübt wurden: "Am Ende kann ich schon mitsingen." Aber ansonsten war die "überrascht, wie gut das geklungen hat". Karl-Heinz Schulz sagte nach der einstündigen Probe: "Das war besser als erwartet!", und Rainer Dellbrügge sowie Friedrich Menges fanden den Zusammenklang nach so langer Pause bemerkenswert. Peter Grüber hatte sich das erste Singen "schlimmer vorgestellt".

Und auch wenn einige Mitglieder zur Corona-Risikogruppe zählen, war der Besuch mit 28 Anwesenden ziemlich gut: Nominell sind bei der Eintracht 39 Sänger aktiv, zu den Proben kommen aber meist um die 22. Und, was auch noch ungewöhnlich war, so Vorsitzender Hölzel: "Wir haben noch nie im August geprobt." Aber Corona machte eben alles anders – und ein Glück, dass Klaus Gärtner seine Halle zur Verfügung stellte, denn, so Hölzel: "Im Vereinsheim könnten wir nie diese Abstände einhalten". Das Experiment im "Aquarium" war nach seinem Geschmack: "Die Probe war sehr gut, ich bin sehr zufrieden." Und bei den Sängern habe man gemerkt, dass sie sich auf die neue Akustik schnell einstellten und "immer weniger zaghaft" wurden. "Ich bin froh, dass wir das gemacht haben." Und seine Frau Erika hatte selbst schon Gefallen an der Halle gefunden: "Das wäre doch was für unsere Bergsträßer Heimatbühne."

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Autor: Rhein-Neckar-Zeitung