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01.09.2020

Preisgekrönte Artisten: Avital und Jochen Pöschko leben und trainieren in Schriesheim

Preisgekrönte Artisten: Avital und Jochen Pöschko leben und trainieren in Schriesheim

Sie haben für ihre Nummern am Schwungtrapez internationale Preise erhalten - Beide leben und trainieren in Schriesheim an der Talstraße - "Nein, Angst verspüre ich nicht"

Avital und Jochen Pöschko bei ihrem Auftritt Ende Juni auf der Mannswiese an der Schriesheimer Hütte. Nun sind sie ab Freitag auch beim Altstadt-Varieté zu sehen. Foto: Dorn

Von Volker Knab

Schriesheim. "Dann geh doch einfach mal auf eine Zirkusschule", sagt Avital Pöschko mit herzlichem Lachen, kaum ist der Satz ihrem Mund entschlüpft. Was sich wie ein Scherz auf die Frage "Wie wurden Sie denn Artistin?" anhört, war tatsächlich der Weg zum Ziel für die 36-Jährige.

So einfach kann das sein. Vorausgesetzt, es findet sich eine Schule. "Ich wollte irgendetwas tun, was mich körperlich fordert, und konnte mich einfach nicht entscheiden", beschreibt Avital das Dilemma, in dem sie sich befand. Das geht allerdings vielen jungen Menschen so. Nur hat nicht jeder Mut, sich auf einen solchen Weg einzulassen. Für Pöschko war es genau der richtige Schritt: "Ich wusste ja nicht, auf was ich mich einlasse", sagt die gebürtige Engländerin, die lange in Israel lebte. Dann hatte sie aber der Zauber der Schule schnell gefangen. "Es gibt so viele Möglichkeiten", schwärmt sie über ihre damalige Zeit.

Die Zirkusschule, auf der Pöschko ihre Kunst lernte und sich auch die Wege von Avital und Jochen Pöschko kreuzten, heißt "Circomedia" im südenglischen Sommerbad Bristol. Die beiden spezialisierten sich ab 2010 auf die Arbeit am Schwungtrapez. Inzwischen haben die beiden für ihre Nummern Preise bei verschiedenen internationalen Zirkusfestivals erhalten, zuletzt beim "Festival Du Cirque de Demain" in Paris und beim "Wuhan International Acrobatics Art Festival of China".

Wenn sie nicht auf Tour sind, lebt das Paar mit seinen inzwischen drei Kindern Ma’ayan, Noah und Ronja Sharon in Schriesheim. Dort besuchen die Kinder auch Schule und Kindergarten. Wenn das Paar auf Tournee ist, reisen die Kinder mit. Tägliches Home-Schooling mit den eigenen Kindern sowie Online-Unterricht mit von den Lehrern vorgegebenen Lern- und Übungsinhalten ist den beiden daher sehr vertraut.

"Dann geh doch mal einfach auf eine Zirkusschule ...", zitiert auch Jochen Pöschko lachend diesen Satz, den er genau wie seine spätere Frau irgendwann in seinem Leben vernahm. Wie Avital war er da an einem Punkt, an dem er nicht mehr so recht wusste, was er später beruflich eigentlich machen wollte. Das war zur Zivildienstzeit Pöschkos, der in Schriesheim seit seinem ersten Lebensjahr in der Talstraße unweit von der Tunneleinfahrt lebt. Kleinere Jongleur-Einlagen beherrschte er, hatte erste Nummern einstudiert, wollte mehr. Erst schnupperte er dort, dann aber besuchte er die Schule in Bristol.

Gleichzeitig ließ ihn das Maschinenbau-Studium nicht los. Das Vordiplom hatte er. Als sein früherer Trapezlehrer ein Flugtrapez-Ensemble aufbaute, wandte er sich erneut mehr dem Zirkus zu. Im Rahmen der Spezialisierung auf das Flugtrapez lernte er schließlich Avital kennen. Seine Kenntnisse im Maschinenbau kann er trotzdem weiter gut gebrauchen. Er nutzt sie für spezielle Konstruktionen bei seiner künstlerischen Arbeit.

"Bei unserer Artistik ist viel Physik dabei", erläutert Jochen Pöschko und nennt beispielsweise die Berechnung des Umkehrpunktes für die Funktionsweise einer Figur. Die Absprünge, das passgenaue Fangen und scheinbare Ineinandergleiten der Körper ist bei solchen Artistik-Kunststücken exakt berechnet. Jeder Trick wurde in seine Einzelteile zerlegt und geprobt. An der Arbeit am Schwungtrapez schätzen beide besonders die dabei entstehende Leichtigkeit.

"Nein, Angst verspüre ich nicht", sagt Avital Pöschko entschieden. "Respekt ist aber enorm wichtig, damit Du keine blöden Sachen machst", ergänzt Jochen in Hinblick auf die regelmäßige Überprüfung der Sicherungen beispielsweise.

Erst kürzlich hatten die beiden in Schriesheim einen Auftritt. Aufgrund coronabedingter Absagen befand sich das Paar im Zwangsurlaub zuhause. Unter anderem war die geplante Tournee der Show zum 75. Jubiläum von "Holiday on Ice" ausgesetzt worden. Avital und Jochen Pöschko nutzten die Zeit zu intensivem Training für eine neue Nummer am Schwungtrapez. Gemeinsam mit anderen, befreundeten Zirkuskünstlern entwickelten sie außerdem ein kleines, aber feines Programm, das auf der Mannswiese am Naturfreundehaus Schriesheimer Hütte als "Wald-Varieté" zur Aufführung kam. Bei der Nummer von "Avital und Jochen" stockte vielen Zuschauern der Atem. Sie schwangen an einem Trapez, das an einem Gestell befestigt war in neun Metern Höhe, und fingen sich dabei in den unterschiedlichsten Figuren. Es ist die jüngste Nummer des Artistenpaars.

Auf dem Gartengelände ihres Hauses an der Schriesheimer Talstraße haben die beiden ausgezeichnete Möglichkeiten zu trainieren. Wer von unten die Hanglage sieht, kann das kaum glauben und würde im Sommer nicht vermuten, dass dort seitlich neben dem Haus hinter dichtem Grün verborgen ein neun Meter hohes Gestell aufgebaut steht, an dem sich ein Schwungtrapez samt Sicherungselementen befestigen lässt. Dort beginnt der Morgen für das Artistenpaar mit Training. Hier entwickeln sie auch neue Nummern. Manchmal sehen sie dann von oben, wie Leute unten an der Straße stehen bleiben, nach oben starren und ihnen zuzuschauen beginnen. "Das geht aber nicht lange so. Dann ist alles zugewachsen", lacht Jochen Pöschko.

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Autor: Rhein-Neckar-Zeitung