Schriesheim im Bild 2023

11.09.2020

Lesestart bei der Winzergenossenschaft

Pokern in Sachen Oechsle-Grade: Zum jetzigen Zeitpunkt ist alles "tipptopp"

Von Jasper Rothfels

Schriesheim. Zufriedene Mienen beim Lesestart der Winzergenossenschaft (WG) Schriesheim. Die Qualität der Trauben sei "supergut", sagte der Vorsitzende Karlheinz Spieß am Donnerstag. Zwar könne das relativ schnell umschlagen, aber bei den meisten Sorten sei man noch entspannt. Ein paar Probleme gebe es mit dem Riesling wegen des Regens vom Wochenende, der sich ungleichmäßig über die Gemarkung Schriesheim verteilt habe. "Da kann es passieren, dass der eine oder andere Wingert ein bisschen in Mitleidenschaft gezogen worden ist", so Spieß. Der Riesling sei wegen seiner besonders dünnen Haut am anfälligsten.

Saint Laurent von Hand gelesen

Das habe man aber im Griff, auch der Leseplan für die kommende Woche stehe bereits. Zum jetzigen Stand sei alles in Ordnung, "tipptopp", es gebe keine großartige Fäule. "Alles in trockenen Tüchern", assistierte der Vize-Vorsitzende, Hartmut Haas. Leider gilt das nicht für die Feiern zum 90-jährigen Bestehen der WG, die in diesem Jahr geplant waren. Wegen Corona sei fast alles ausgefallen, so Haas.

Zum Auftakt wurden in der Lage Kuhberg Trauben der frühreifen Sorte Saint Laurent gelesen, die von sechs der 120 WG-Winzer angebaut werden. Bei der Untersuchung mit der "Lanze" und dem Refraktometer, einem Messgerät, kamen die Trauben von Haas auf ein durchschnittliches Mostgewicht von 82 Grad Oechsle. Das sei in Ordnung, meinte der Winzer. Bei anderen werde es keine großen Sprünge nach oben oder nach unten geben, prophezeite Spieß. Der Saint Laurent habe nicht so hohe Oechsle-Werte, "und das reicht dem auch".

Nach Angaben des Deutschen Weininstituts erreicht das durchschnittliche Mostgewicht dieser Sorte "beachtliche 80 Grad Oechsle". Das Mostgewicht ist ein wichtiges Qualitätskriterium beim Wein.

Während private Weingüter schon mit der Lese begonnen haben, hatte die WG noch abgewartet. Der Grund: Der Most der WG wandert nach Breisach, wo er vom Badischen Winzerkeller ausgebaut wird. Geld gibt es Spieß zufolge zum einen für das angelieferte Gewicht, zum anderen für die Oechsle-Grade. "Der Spagat zwischen Oechsle und Kilo muss stimmen", sagte er. Denn liege der Oechsle-Wert der abgelieferten Sorte unter dem Kellerdurchschnitt, bekomme der Winzer pro fehlendem Oechsle-Grad ein Prozent vom Auszahlungspreis abgezogen.

Deshalb versuche man, mit den Oechsle "etwas zu pokern" und "zumindest pari oder über dem Winzerkeller-Schnitt zu liegen". Aber mit Augenmaß. Denn irgendwann sei die Traube so reif, dass sie zwar an Oechsle zunehme, aber an Kilo verliere. "Wir müssen für unsere 120 Mitglieder das Beste rausholen", erläuterte Haas.

Der Lesestart decke sich vom Datum her etwa mit den Vorjahren, sagte der Vize-Vorsitzende. Eine unangenehme Überraschung waren am Morgen einige Regentropfen, die aber letztlich nicht ins Gewicht gefallen seien, so Spieß. Gegen Mittag hin sei es dann fast zu warm geworden. Wenn die Trauben im Bottich lagerten, weil sie vorerst nicht abgeliefert werden könnten, begännen sie irgendwann zu "kochen". "Das will eigentlich die Keltermannschaft nicht unbedingt haben." An diesem Freitag geht es mit der Sorte Müller-Thurgau und Rieslingsekt-Grundwein weiter. 21 bis 25 Arbeitstage kann es Haas zufolge dauern, bis die 130 Hektar große Anbaufläche der WG-Winzer zwischen Dossenheim und Großsachsen abgeerntet ist. Der Spätburgunder hat mit einer Anbaufläche von 45 Hektar den größten Anteil, "der Rest verteilt sich auf die weißen Sorten", so Spieß.

Gelesen wird – wie beim Saint Laurent – per Hand, sonst aber auch mit Hilfe von Maschinen. Auf etwa 40 bis 45 Prozent der Fläche werden Haas zufolge sogenannte Vollernte-Maschinen eingesetzt. Im vergangenen Jahr kamen insgesamt 1,1 Millionen Liter zusammen. Schriesheim ist städtischen Angaben zufolge in Sachen Wein "der bedeutendste Ort an der badischen Bergstraße".

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Autor: Rhein-Neckar-Zeitung