Schriesheim im Bild 2023

02.10.2020

"Es wird einen Mathaisemarkt geben – aber anders als gewohnt"

Ariane Haas-Bruch rechnet mit keiner Komplett-Absage - Wahrscheinlich kommen weniger Schausteller - Festzelt nicht ganz unmöglich

Von Micha Hörnle

Schriesheim. Die Familie Haas und der Mathaisemarkt gehören seit fast vier Jahrzehnten zusammen. Fritz Haas war bis zu seinem Tod Ende 2014 Marktmeister, dann folgte ihm seine Tochter Ariane nach. Von ihr wollte die RNZ wissen, wie sie die Chancen für das größte Frühlingsfest der Region in Zeiten von Corona einschätzt.

Wenn Sie eine Prognose abgeben müssten: Wird es im nächsten Jahr einen Mathaisemarkt geben?
Jetzt schon eine Aussage zu treffen, ist viel zu früh. Wir haben in der Vergangenheit die Erfahrung gemacht, dass es sich von heute auf morgen ändern kann, wie dies ja bereits in diesem Jahr mit dem Mathaisemarkt geschehen ist. Ich halte daran fest – schon aus der Überzeugung heraus und aus Liebe zu meinem Beruf –, dass wir ein sicheres Fest veranstalten können und es einen Mathaisemarkt geben kann. Sicher ist aber, dass die Veranstaltung nicht so stattfinden wird, wie wir es gewohnt sind.

Die meisten Fastnachtsveranstaltungen nur zweieinhalb Wochen vorher sind abgesagt. Ist es denn realistisch, jetzt für ein Volksfest zu planen?
Viele Karnevalsveranstaltungen werden von den Vereinen organisiert. Meist ist die Vorstandschaft ehrenamtlich besetzt. Es ist eine Art Hobby, eine Leidenschaft der Veranstalter. Ich kann es verstehen, dass sie es aus Gründen der Sicherheit absagen. Die Sitzungen finden drinnen statt, und es wird oft Alkohol konsumiert. Da Abstände beim Sitzen eingehalten werden müssen, kann nur die Hälfte teilnehmen – und dann geht die Rechnung nicht auf. Für uns Schausteller ist es der Beruf. Wir verdienen mit Veranstaltungen wie dem Mathaisemarkt unser Geld. Wir sind bereit, auf vieles einzugehen, damit wir an den Start dürfen. Wir haben über das Jahr verteilt deutschlandweit Konzepte entwickelt und umgesetzt. Wir haben Erfahrungen gesammelt und stellen uns der neuen Situation. Für uns ist es unser Leben. Und wir wollen leben.

Auch im März, so sagen die Experten, werden die Leute mit Corona leben müssen. Welche Folgen hat das auf den Mathaisemarkt 2021?
Wir werden noch viel länger damit leben müssen. Die Nachwehen kommen für uns alle erst noch. Auch längerfristig. Man muss sehen, welche Verordnungen bis dahin gelten, wie die Vorschriften sind und wie viele Menschen sich versammeln dürfen. Da spielen viele Faktoren mit. Erst dann kann man ein belastbares Konzept entwickeln und sehen, wie man alles umsetzt. Der wichtigste Faktor sind allerdings die Menschen an der Stadtspitze. Wir haben es in diesem Jahr erlebt: Wenn die Politik, die Ausschüsse es nicht möchten, hilft einem das beste Konzept nicht. Aber da mache ich mir in Schriesheim keine Sorgen. Jeder Einzelne lebt hier den Mathaisemarkt.

Wann laufen denn die Mathaisemarkt-Planungen an – und gibt es im Vergleich zu den Jahren zuvor Unterschiede?
Vorerst gibt es keine Unterschiede. Die Ausschreibung hat stattgefunden. Meine Kollegen können sich bei der Stadt bewerben. Im November finden Ausschusssitzungen statt. Ich denke, diese werden wohl mit Mundschutz erfolgen, aber mit der gleichen Leidenschaft wie immer. Man wird das Lächeln des Ausschussmitgliedes nicht sehen, wenn sie eine schöne oder "leckere" Bewerbung in der Hand halten. Die Verträge werden sicherlich etwas später rausgehen als sonst, einfach dass man alle Lockerungen einarbeiten kann. Sie sehen, ich rede von Lockerungen, nicht von Einschränkungen. Ich bin Optimist.

Wäre es denn denkbar, dass es nur eine begrenzte Anzahl von Fahrgeschäften und Buden wie beispielsweise in Heidelberg oder in Weinheim gibt oder gab?
Unter den jetzigen Bedingungen wird es sicherlich eine kleinere Zahl an Beschickern geben. Die Abstände zwischen den Geschäften müssen vergrößert werden. Die Ansteh-Reihen werden länger, da man Abstand halten muss. In Heidelberg sind Geschäfte über die Innenstadt verteilt. Da finden aber nur wenige Schausteller Platz, schon gar nicht Großfahrgeschäfte. Aber auch an diese Kollegen muss man denken. Bürgermeister Höfer hatte ja angedeutet, dass es eventuell kein Zelt geben wird. Dann hätte man ja auch diese Fläche noch zur Verfügung.

Ist Ihrer Meinung nach ein Festzelt im nächsten Jahr zu vertreten?
Darüber wird sich die Stadt in ausreichendem Maß Gedanken machen. Auch die Zeltwirte haben Konzepte entwickelt. Ob sich diese unter den dann veröffentlichten Gegebenheiten für sie rechnen, wird jeder Zeltwirt für sich entscheiden müssen. Ich bin pragmatisch: Seitenplane raus, dann gibt es eine ausreichende Durchlüftung, ein Dach über dem Kopf. Was spricht gegen einen überdachten Biergarten? In Schriesheim nur eventuell das kalte Wetter.

Im Nachhinein betrachtet: War es richtig, dass der Mathaisemarkt in diesem Jahr eröffnet wurde?
Ein ganz klares Ja. Wir haben mit unseren Besuchern vor Ort gesprochen. Keiner, der da war, fand es unangemessen. Und der, der nicht wollte, musste ja nicht kommen. Es wird keiner gezwungen. Und die Menschen wollen raus im Frühjahr, brauchen das Licht, die Luft, das Feiern. Als der Mathaisemarkt gestartet war, da gab es noch Fußballspiele mit vollen Stadien. Wir standen in engem Kontakt mit dem Gesundheitsamt. Und wenn man sich im Nachhinein die Infektionszahlen anschaut, dann gab es im Umkreis von Schriesheim keinen Ausbruch. Von daher: keine Reue, keine Bedenken, alles richtig gemacht.

War es richtig, dass er nach der Hälfte abgebrochen wurde?
Wir standen immer in engen Kontakt mit dem Gesundheitsamt, wir haben immer wieder Gespräche geführt. Die Verantwortlichen der Stadt haben auch mich, als Marktmeisterin, zu jedem Gespräch hinzugezogen, damit alle Seiten gehört werden. So schrecklich die Entscheidung für uns war, wissen wir Schausteller und Marktkaufleute, was Verantwortung für eine Bevölkerung bedeutet, die uns liebt. Wir möchten Spaß und Freude verbreiten. Bei uns soll man aus Freude weinen – nicht weil wir ein hohes Risiko eingegangen sind und Infektionen hinterlassen haben.

Sie sind ja selbst Schaustellerin. Wie geht es Ihrem Betrieb – und wann haben Sie das letzte Mal Geld verdient?
Das ist einfach: in Schriesheim. Wie geht es meinem Betrieb? Ich bin in der Lage, einen Großteil abzufangen. Ich habe versucht, die Kosten zu reduzieren, Investitionen wurden gestoppt, geplante Umbauten auf Eis gelegt, und meine langjährigen Mitarbeiter habe ich in Kurzarbeit geschickt. Aber das ist alles die wirtschaftliche Seite. Viel schlimmer ist die emotionale Seite. Ich führe einen Familienbetrieb in fünfter Generation weiter. Und jetzt? Ich fahre ihn an die Wand ... Und Aussagen wie " Du kannst doch nichts dafür, es ist nicht selbst verschuldet", die kommen nicht an. Da kann Dir keiner wirklich helfen. Dann die Entscheidung, probiert man eine "coronakonforme" Veranstaltung. Kann das funktionieren? Und dann kommt der Tag, an dem das Schaustellerherz gewinnt. Ich muss raus, ich muss meine Erfahrungen sammeln. Jede Generation hatte Aufgaben zu meistern. Mein Betrieb wäre nicht da, wenn meine Oma nach dem Krieg nicht so mutig gewesen wäre, nichts riskiert hätte. Man muss seine Erfahrungen selbst machen, nichts anderes zählt. Darum bin ich jetzt auch in Mannheim auf dem Neuen Messplatz bei "Fun & Food", in Neureut auf der Kerwe und eventuell auf dem nachgeholten Frühlingsfest in Karlsruhe.

Was würde es für Ihren Betrieb und für die Schausteller der Region bedeuten, wenn der Mathaisemarkt 2021 ausfiele?
O Gott, darüber will ich nicht nachdenken. Das würde ein Signal setzen, damit dann auch weitere Veranstaltungen wieder abgesagt werden würden. Ich bin Optimist. Wir sagen nicht ab. Wir verabreden uns einfach auf einem Mathaisemarkt mit neuem Konzept. Das ist mein Wunsch für 2021.

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Autor: Rhein-Neckar-Zeitung