Schriesheim im Bild 2023

05.03.2021

Der evangelische Lehrvikar In Jung wurde verabschiedet

"Jetzt bin ich endlich ein richtiger Pfarrer" - Er geht jetzt nach Karlsruhe - Mit seiner Art nahm er die Schriesheimer für sich ein

Von Marion Gottlob

Schriesheim. "Eine gute Frage!" Immer wieder hört man diesen Satz aus dem Mund des gebürtigen Südkoreaners In Jung, denn er denkt gern nach, bevor er eine Antwort gibt. Zwei Jahre lang war er als Lehrvikar in der Evangelischen Kirchengemeinde tätig. Mit einem lachenden und einem weinenden Auge nahm er nun von Schriesheim Abschied: "Ich schätze diese Lebendigkeit und Begeisterung der Schriesheimer. Doch nun darf ich endlich Pfarrer sein und Aufgaben in Karlsruhe übernehmen."

Damit geht für den 43-Jährigen ein Herzenswunsch in Erfüllung. Hinter ihm liegt ein langer Weg. Eigentlich stammt er aus einer christlichen Familie in Südkorea. Als Jugendlicher war er Jugendsprecher in seiner evangelischen Gemeinde. Nach der Schule wollte er Literaturwissenschaftler werden, aber seine Eltern wünschten ein Jura-, Medizin- oder BWL-Studium.

In Südkorea ist die Meinung der Eltern wichtig: So entschied sich In Jung für ein Studium der Medienwissenschaften als Kompromiss: "Das war nicht schlecht." Nach dem Studium folgte ein 40-monatiger Militärdienst: "Das war eine Zeit mit existenziellen Fragen, denn ich bin kein geborener Soldat." So verbrachte er fast jeden Abend mit einem Theologen: "Wir wurden Freunde. Er machte mir deutlich, dass Glauben, Wissenschaft und Vernunft keine Gegensätze sein müssen."

Nach dem Militärdienst war klar: In Jung wollte Theologie studieren. Doch erneut lehnten die Eltern ab. Also nahm ihr Sohn eine Stelle als PR-Mitarbeiter in einem großen Unternehmen an. Er lächelt: "Es war ein Gewinn, denn ich lernte meine Frau kennen." Schließlich erkannten die Eltern, dass In Jung seinen eigenen Weg gehen musste. Sie stimmten dem Theologie-Studium zu. Er begann das Studium an der renommierten Yonsei-Universität in Seoul. Sein größtes Ziel war es, sein Studium bei Professor Peter Lampe an der Universität Heidelberg fortzusetzen. Nach drei Jahren war es soweit, er kam mit seiner Familie nach Deutschland. Es war ein kleiner Schock: In Jung hatte alleine die deutsche Sprache gepaukt. Nun verstand er so gut wie kein Wort.

Die Aussprache war ganz anders, als er sich das gedacht hatte. Egal. Im Goethe-Institut lernte er Deutsch, später machte er das große Latinum und das Graecum nach. Er wurde wissenschaftlicher Mitarbeiter von Lampe und erwarb den Doktortitel. Das alles war nicht einfach, denn seine Familie mit zwei Töchtern – die jüngere Tochter wurde in Heidelberg geboren – musste auch versorgt werden. Vor zwei Jahren begann In Jung sein Lehrvikariat in Schriesheim und unterrichtete Religion an der Kurpfalz-Schule. Er gibt offen zu: "Ich war den wissenschaftlichen Umgang an der Universität gewohnt – nun hatte ich Angst vor den Kindern." Dafür gab es keinen Grund, denn die Kinder hatten ähnliche Fragen wie der Theologe: "Warum müssen Menschen leiden, obwohl es Gott gibt? Was passiert nach dem Tod?" Gemeinsam suchten sie nach Antworten – und In Jung spielte seinen jungen Zuhörern auf der Oboe vor: "Mit ihr spreche ich eine universelle Sprache."

Noch vor dem Lockdown war in Schriesheim die evangelische Gemeinde den Schritt ins Internet gegangen. In der Corona-Krise beteiligte sich In Jung sofort an der Gestaltung von Online-Gottesdiensten. Mit den Sängern der Gemeinde gestaltete er das Balkon-Singen, bei dem die Familien und Sänger ihre Balkon-Lieder aufnehmen konnten. Aus diesen Beiträgen gestaltete der Lehrvikar ein Ganzes, das er streamte.

Als In Jung seinen Dienst in Schriesheim begann, war jeder freundlich zu ihm. Erst später gestanden einige Gemeindemitglieder ihre Vorbehalte: "Wir wollten niemanden aus Südkorea." Doch In Jung ist es gelungen, die Skeptiker mit seiner Liebenswürdigkeit von sich zu überzeugen, aber er bleibt bescheiden: "Das ist nicht mein Erfolg. Es zeigt, wie liebevoll die Schriesheimer sind. Und: Ich fühle, dass Gott mich begleitet." Er wird den Schriesheimern verbunden bleiben. Deshalb wird seine 13 Jahre alte Tochter im Mai ihre Konfirmation in Schriesheim feiern.

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Autor: Rhein-Neckar-Zeitung