Schriesheim im Bild 2023

22.03.2021

Diana Kinnert über "Die neue Einsamkeit"

Die Autorin stellte bei einer Online-Veranstaltung der CDU unter anderem ihr Buch vor - Immer mehr Menschen fühlen sich alleine

Schriesheim. (max) Ein Thema, das sich im Coronajahr stark bemerkbar gemacht hat, ist die Einsamkeit. Mit diesem Phänomen, das durch die Lockdown-Maßnahmen noch verstärkt wurde, beschäftigt sich Diana Kinnert in ihrem gerade erschienenen Buch "Die neue Einsamkeit". Die 30-Jährige ist neben ihrer Tätigkeit als Unternehmerin und Publizistin auch CDU-Politikerin und Mitglied in der Bundeskommission für "Gesellschaftlichen Zusammenhalt".

Über Einsamkeit, ihre Ursachen, die Verbreitung in der Gesellschaft und mögliche Abhilfen sprach Kinnert am vergangenen Freitag mit der noch amtierenden CDU-Landtagsabgeordneten Julia Philippi und der Vorsitzenden der Schriesheimer CDU, Christiane Haase. Moderatorin war die Weinheimer Sängerin und Schauspielerin Patricia Kain.

Die Autorin beschäftigt sich schon seit Langem mit der Thematik und war an der Konzeption des ersten "Ministeriums gegen Einsamkeit" in Großbritannien beteiligt. Als enorm wichtig empfindet sie eine Aufklärung über Vereinzelung, da der demografische Wandel darauf hindeutet, dass hochaltrige Personen, die von einer erwerbsorientierten Gesellschaft ausgeschlossen werden, in Zukunft noch mehr unter dem Alleinsein zu leiden haben. Allerdings seien auch junge Menschen in modernen Jobs in der Großstadt stark von Einsamkeit betroffen. Wichtig sei es, erst zu unterscheiden, ob es sich um selbst gewähltes Alleinsein handelt, das auch Reflexion und Kontemplation fördere, oder um erzwungene Einsamkeit, die auch krank mache. Sie legte dar, dass das zunächst individuelle Gefühl der Einsamkeit reale medizinische und gesellschaftliche Folgen habe. Studien hätten gezeigt, dass die physische Belastung durch Isolation mit dem Rauchen von 15 Zigaretten am Tag gleichgesetzt werden kann.

Außerdem könne beobachtet werden, dass Einsamkeit zu Radikalisierung führen kann, da sich die Betroffenen nicht mehr als Teil der Gesellschaft wahrnähmen und sich von ihr verstoßen fühlten. Allein vor der Pandemie hätten 14 Millionen Deutsche angegeben, sich einsam zu fühlen. Kinnert vermutet eine viel höhere Dunkelziffer, da das Reden über Einsamkeit mit einem negativen Stigma behaftet sei. Viele Menschen würden die Schuld bei sich selbst suchen und sich für das Gefühl schämen.

Vielmehr seien aber spezielle Situationen wie zum Beispiel Scheidung oder gesellschaftliche Tendenzen das Problem. Diese würden den Menschen suggerieren, dass sie jederzeit agil, flüchtig und bereit zum Aufbruch sein müssten. Das würde das Eingehen von Beziehungen stark erschweren. Diesen Stigmen müsste auf verschiedene Arten entgegengewirkt werden, um gesunde Beziehungen zu ermöglichen. Hier sprach Kinnert auch die sich verändernden Beziehungen zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern an. Durch ein persönlicheres Arbeitsumfeld, indem die Angestellten ihren Chef duzen könnten, würden Machtstrukturen verschleiert und den Arbeitnehmern die Möglichkeit zur Durchsetzung ihrer Interessen erschwert.

Die Autorin bediente sich an dieser Stelle traditionell linker Analysen von Arbeitsmarktverhältnissen, betonte aber, dass sie selbst sich nicht für links ("sozialpopulistisch") halte. Ihr ginge es vor allem darum, neue Werte zu etablieren, weil auch "eine christlich soziale Gesellschaft, die auf Ehrenamt und Nachbarschaftlichkeit guckt, Gemeinwesen braucht". Deshalb müssten Werte wie Rücksicht und Solidarität oder auch Inanspruchnahme von Hilfe wieder mehr in den Fokus gerückt werden. Das führe zu gesunden Beziehungen und somit zu einer gesunden Gesellschaft, in der sich niemand einsam fühlen müsse. Dieses Konzept nennt Kinnert selbst "neuen Konservatismus" und fordert von den Christdemokraten eine Reformation der sozialen Marktwirtschaft, die an die neuen Gegebenheiten angepasst werden müsse. Als konkrete Beispiele gegen Einsamkeit wurden Mehrgenerationenhäuser, eine bessere soziale Teilhabe für alte Menschen und Nachbarschaftshilfen nach japanischem Vorbild diskutiert.

Ein weiteres wichtiges Feld im Buch sowie im Gespräch war die Digitalisierung, die Kinnert lieber als Digitalität bezeichnen würde. Digitalisierung würde der Diskussion nicht gerecht, da es sich nicht um ein rein technologisches Phänomen, sondern um die Auswirkungen auf die ganze Gesellschaft handele. Diese neue Wirklichkeit stelle an alle große Herausforderungen, denen vor allem auf Augenhöhe begegnet werden müsse. Die Gefahr durch Auswertung von persönlichen Daten sowie die Einflussnahme durch Big Data Firmen stellten eine Gefahr dar, der nur durch fundierte Aufklärung zuvorzukommen sei.

Das würde auch voraussetzen, dass sich Lehrende und Eltern besser mit sozialen Medien auseinandersetzen müssten. Die neuerworbenen Kompetenzen und Möglichkeiten von digitalen Werkzeugen sollten besser in den Unterricht integriert werden. Die müsse auch präventiv genutzt werden, um Fake News und Verschwörungstheorien zu unterbinden.

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Autor: Rhein-Neckar-Zeitung