Schriesheim im Bild 2023

24.07.2021

Bei der Hochwasserhilfe läuft nicht alles rund

Bei der Hochwasserhilfe läuft nicht alles rund

In dem kleinen Weindorf mit 1700 Einwohnern arbeitete er einen Tag dabei mit, ein beschädigtes Haus komplett auszuräumen. Von der Einrichtung war nichts mehr zu retten. Foto: Dorn
Der Schriesheimer Klaus Zitsch war in Dernau. Hier blockierten die parkenden Autos der Helfer den Einsatz, teilweise war die Koordination mangelhaft.

Von Micha Hörnle

Schriesheim. Aus der Region war nicht nur der Hirschberger Feuerwehrmann Marcel Donath im Hochwasser-Katastrophengebiet, sondern auch Klaus Zitsch aus Schriesheim. Wie der Zufall es so will, ist auch Zitsch Feuerwehrmann – allerdings bei der Bundeswehr und in Neckarzimmern stationiert –, und wie Donath versuchte er, im selben Dorf, in Dernau im Ahrtal, zu helfen. Viele der Eindrücke Donaths kann Zitsch auch bestätigen, vor allem, was das ungeheure Ausmaß der Zerstörungen angeht.

Wie Donath hatte Zitsch nicht auf einen Einsatzbefehl gewartet, sondern hatte mit zwei weiteren Bundeswehrkollegen selbst eine Hilfsaktion angeleiert. In der Zahnarztpraxis seiner Frau hatte man allerhand Spenden gesammelt, von Zahnbürsten über Masken bis hin zu Handtüchern, aber auch Schippen, Besen, Abzieher und vor allem Trinkwasser – und dann ging es auch schon am Mittwoch nach Bad Neuenahr-Ahrweiler. In der Kreisstadt drängelten sich die Helfer, also fuhren die Bundeswehrler weiter in die nächste Ortschaft, nach Dernau.

Doch Zitsch fiel dabei einiges auf, was im Moment nicht optimal läuft: Es gibt zwar eine enorm große Bereitschaft vieler Freiwilliger, hier zu helfen, aber die meisten kommen mit dem Auto und verstopfen die wenigen intakten Straßen. Daher Zitschs Appell an alle, die vor Ort fahren: "Nutzen Sie die Shuttle-Busse!" Und auch die gewaltigen Mengen an Sachspenden machen Probleme: Oft werden sie willkürlich am Straßenrand abgeladen, auch Lebensmittel, die schnell verderben. Erst relativ spät wurde die zerstörte Bahnhofswartehalle leer geräumt und zu einem zentralen Versorgungsdepot gemacht. "Ich finde, man sollte mit den Spenden mal langsam machen", meint Zitsch. "Man vergisst dabei oft, was die Leute gerade am meisten benötigen" – und das ist Trinkwasser. Oder Diesel für die Aggregate, denn Strom gibt es immer noch keinen.

Auch die Koordination vor Ort ließ zu wünschen übrig, vielleicht sind die Krisenstäbe angesichts der vielen Arbeit einfach überfordert. Die Hilfe ist zwar reichlich da, aber doch etwas unkoordiniert: "Es gibt keinen, der einem sagt: ,Gehe zur Straße x, räume das Haus Nummer y aus, und wenn Du fertig bist, melde Dich wieder’."

Tatsächlich ist es so, dass viele Hochwasseropfer von sich aus die Helfer ansprechen, dabei hätten Zitsch und seine Kameraden am liebsten denjenigen geholfen, die es am nötigsten hätten, also etwa Senioren. Tatsächlich war er noch am Mittwoch dabei, als ein Haus eines Rentnerehepaars unweit vom Bahnhof komplett ausgeräumt werden musste. Dort war das Wasser der Ahr, sonst kaum einen Meter tief, auf einmal "an der Oberkante im zweiten Stock"; die Bewohner mussten sich auf den Dachboden retten. Zum Glück war zufällig auch eine Tochter samt Familie zum Urlauben hier – und der Urlaub wurde zum Arbeitseinsatz. So ziemlich alles aus dem Haus kam auf den großen Müllberg an der Straße, zu retten war nichts: "Hinter den Einbauschränken hatte sich schon Schimmel gebildet. Das ganze Haus muss kernsaniert werden." Große Kipper der Bundeswehr, aber auch Traktoren samt Anhänger waren pausenlos unterwegs, um die Schuttberge an den Ortsrand zu einem provisorischen Müllplatz zu schaffen.

Am zweiten Tag half der 35-Jährige dann in Dernau mit, den Verkehr an einer Kreuzung zu regeln, denn Ampeln oder Schilder gibt es nicht mehr, und die Polizei war selbst überlastet. Nach knapp zwei Tagen ging es am Donnerstagabend zurück; die Helfer hatten zuvor in einem Zelt oder in einem Kastenwagen übernachtet. Zitschs Fazit: "Auch wenn unsere Hilfe nur ein Tropfen auf den heißen Stein war: Es war gut, dass wir wenigstens ein bisschen helfen können. Und es ist traurig zu sehen, was die Menschen alles verloren haben."

Zugleich ist er vom oft ungebrochenen Optimismus der Dernauer beeindruckt: "Viele sagen: Das Leben geht weiter." Und auch die gegenseitige Hilfsbereitschaft ist groß: "Die Leute halten zusammen."

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Autor: Rhein-Neckar-Zeitung