Schriesheim im Bild 2023

14.08.2021

Fadime Tuncer zu den neuen Richtlinien fürs Mitteilungsblatt

Die Bürgermeisterstellvertreterin hätte eine Diskussion im Vorfeld besser gefunden.

Schriesheim. (hö) Die Diskussion um die neuen Richtlinien für das Mitteilungsblatt reißt nicht ab, auch im Rathaus nicht. Nach dem RNZ-Bericht vom Donnerstag gab es am selben Tag noch verwaltungsintern eine längere Aussprache, bei der sich auch Bürgermeisterstellvertreterin Fadime Tuncer zu Wort meldete, die gerade den urlaubenden Bürgermeister vertritt.

Dabei, so berichtet Tuncer im Gespräch mit der RNZ, habe Hauptamtsleiter Dominik Morast weiter die Meinung vertreten, dass der neue "Blättchen"-Kurs richtig sei, vor allem weil ihn die Rechtssprechung fordert: Mitteilungsblätter müssten so meinungsfrei wie möglich sein. Tuncer sieht das anders: "Wir hatten schon einmal eine Zensur. Man kann Meinungen – auch die, die man nicht teilt – nicht unterm Deckel halten, sonst explodiert der. Es ist wichtig, dass die Bürgerschaft weiß, was andere Leute denken. Eine Demokratie muss das aushalten."

Sie sagt das vor allem mit Blick auf die Beiträge des AfD-nahen "Demokratie- und Kulturvereins Schriesheim", die etlichen Mitteilungsblatt-Lesern bitter aufgestoßen sind: "Es gab Stimmen, die meinten, diese seien unserer Stadt nicht würdig", so Tuncer, "da wurde die Meinungsfreiheit zu sehr ausgedehnt." Deswegen hätte sie es besser gefunden, solche problematischen Artikel aus dem Blatt herauszunehmen, als nun generell alle Meinungsbeiträge zu verbieten.

Was Tuncer ebenfalls stört: Die neuen Richtlinien wurden den Vereinen, Einrichtungen und Kirchen per E-Mail mitgeteilt, ohne dass es ein (er)klärendes Gespräch oder gar einen Austausch gab: "Diese Änderung kam zu abrupt. Jetzt fühlen sich viele vor den Kopf gestoßen. Eine Diskussion im Vorfeld wäre besser gewesen." Sie hatte es für richtiger gehalten, wenn dieser neue Kurs mit dem Gemeinderat besprochen worden wäre. Nun habe Morast vorgeschlagen, mit den Fraktionssprechern über die Situation zu diskutieren und dann die Betroffenen zu informieren.

Sie selbst findet aber "nur Ankündigungen im Mitteilungsblatt zu wenig", gerade die Beiträge des katholischen Pfarrers Ronny Baier haben ihr besonders gefallen: "Das waren interessante Ansätze. Die Themen bringen einen zum Nachdenken." Und es wäre schade, wenn es die nicht mehr geben würde. Kurz: "Das war ein Radikalschnitt, der zu brutal war." Wenn es nach ihr gegangen wäre, hätte man die alten, eher laxen Richtlinien noch bis Ende der Sommerferien laufen lassen und dann die neuen Richtlinien "mit dem Gemeinderat und den Betroffenen diskutiert". Aber nun vertritt sie ja drei Wochen lang den Bürgermeister, hätte sie dann nicht den neuen harten Mitteilungsblattkurs verhindern können, wenn sie schon ganz anderer Meinung ist? "Die Aussage, so zu verfahren, kam von Herrn Höfer. Das kann ich nicht in drei Wochen umändern, das wäre auch nicht professionell."

Sie trifft in ihrer Vertretungszeit keine grundsätzlichen Entscheidungen, sondern kümmert sich um das laufende Geschäft – indem sie Zeugnisse oder Arbeitsverträge für FSJ-ler unterschreibt, die in den Kindergärten arbeiten wollen. Oder sie führt die "Pfiffikus-Ferienclub"-Kinder durch das Rathaus, die dann staunend vor dem historischen Wandbild im Kleinen Sitzungszimmer stehen.

Und am Montagabend leitete sie zum ersten Mal eine Sitzung des Ausschusses für Technik und Umwelt (ATU), die sogar wegen der drei Bauvoranfragen für einen "Netto"-Markt im Säulenweg eine Sondersitzung war. Die war mit knapp 20 Minuten nicht nur sehr kurz, sondern von den Punkten her auch unstrittig.

Auch ihr ist aufgefallen, dass für eine ATU-Sitzung ungewöhnlich viele Zuhörer, meist Anwohner aus der Haydnstraße, da waren: "Das zeigt, wie wichtig das Thema Discounter-Ansiedlung ist. Wir haben nicht so viele Gewerbegebiete, die wir entwickeln können, und müssen behutsam vorgehen. Gerade die Verkehrsführung ist dabei ein wichtiges Thema, und die Anwohner dürfen nicht schlechter gestellt werden als vorher."

Nimmt Kandidatin Tuncer während ihrer Vertretungszeit schon mal am Bürgermeisterschreibtisch Maß? "Nein, ich denke im Jetzt. Ich mache hier jetzt die Vertretung und bin so beschäftigt, dass die Bürgermeisterwahl keine Rolle spielt."

Und stimmt der Eindruck, dass sie dem zweiten Bürgermeisterstellvertreter Michael Mittelstädt (CDU) im Moment keinen Raum lässt? Auch hier: nein. "Wir hatten coronabedingt kaum Auftritte. Ohne Pandemie würden wir uns die vielen Termine natürlich aufteilen." Sie habe sich nach ihrer Wahl zur ersten Stellvertreterin Höfers vor gut zwei Jahren bemüht, sich mit Mittelstädt auszutauschen. "Aber dann kam von ihm eine Abwehrhaltung, und dann habe ich mich nicht mehr bemüht. Ich dränge mich nicht auf."

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Autor: Rhein-Neckar-Zeitung