Schriesheim im Bild 2023

23.09.2021

Neue Chance für die Stadtbahn nach Mannheim?

Neue Chance für die Stadtbahn nach Mannheim?

Der grüne Landesverkehrsminister Winfried Hermann (2.v.r.) unterstützte Bundestagsabgeordnete Franziska Brantner (r.) bei einem Vor-Ort-Termin am OEG-Bahnhof. Das Thema des Nachmittags war die Verkehrswende. Mit dabei war auch Bürgermeisterkandidatin Fadime Tuncer (3.v.r.). Foto: Dorn
Fadime Tuncer belebt eine alte Idee. Landesverkehrsminister Winfried Hermann äußert sich eher vage. Mehr interessierte das Radnetz.

Von Micha Hörnle

Schriesheim. Es ist eine alte Idee: Schriesheim könnte besser an Mannheim angebunden werden. Zumindest brachte die grüne Bürgermeisterkandidatin Fadime Tuncer den Vorschlag wieder auf, als am Dienstagnachmittag der grüne Landesverkehrsminister Winfried Hermann zu Besuch war, um Wahlkampf für die Bundestagsabgeordnete Franziska Brantner zu machen: "Die Nord-Süd-Achse ist gut angebunden", sagte Tuncer, "aber die Ost-West-Anbindung ist schwierig."

Sie verwies auf die Pläne für eine Stadtbahn über Ladenburg vor über 20 Jahren, "wir möchten die wieder hervorholen", denn "die bringt eine große Zeitersparnis". Momentan braucht die OEG vom Bahnhof Schriesheim zum Mannheimer Hauptbahnhof geschlagene 57 Minuten. Hermann indessen sprang noch nicht so richtig darauf an: "Das muss man prüfen und dann sehen, ob so etwas geht."

Doch war Hermann weniger hierhergekommen, um alte Ideen zu diskutieren, sondern um die Verkehrswende zu propagieren – auch wenn dazu, zumindest theoretisch, eine Ost-West-Achse von Mannheim an die Bergstraße gehören könnte. "Im Verkehrssektor ist am wenigsten für den Klimaschutz passiert, woanders hat man mehr erreicht", so der Minister. Das liege an seinem Amtskollegen im Bund, Andreas Scheuer (CSU), so etwas wie der Lieblingsgegner der Grünen: "Der hat Jahre damit verbracht, den Ausländern die Pkw-Maut aufs Auge zu drücken – das Ergebnis ist bekannt. Da wurde viel Zeit verplempert."

Die Bahn sei technologisch oft noch im 19. Jahrhundert, aber damals war sie wenigstens pünktlich. Aber auch sonst sei beim Verkehr jede Menge nachzuholen – von neuen Antriebsarten wie Batterie oder Brennstoffzelle, mittlerweile gibt es sogar Pilotprojekte für Laster mit Oberleitungen.

Doch für die Region fast wichtiger sind die vielen Lücken im Radwegenetz, die auch immer wieder in der Diskussion angesprochen wurden: Bis vor zehn Jahren (also seinem Amtsantritt) habe es gar keine Radverkehrspolitik des Landes gegeben, damals hieß es, das sei Sache der Kommunen. Das habe sich geändert – auch dank des Bundes, der deutlich mehr Geld für Radwege ausgebe als früher.

Er nannte die geplante und schon recht konkrete Radschnellverbindung Mannheim-Heidelberg (von der Schriesheim nicht berührt wird) und die noch etwas unkonkrete von Darmstadt nach Heidelberg (von der auch Schriesheim etwas hätte). Aber noch dringlicher sind die bestehenden Mängel bei den Radwegen, auf die Tuncer hinwies: In Schriesheim verläuft der Radweg direkt auf dem Trottoir der B3 mit vielen gefährlichen Ausfahrten, und auch die Verbindung von der Kernstadt nach Altenbach sei zwar grundsätzlich beschlossen, aber noch meilenweit von ihrem Bau entfernt.

Darauf sprang auch der grüne Fraktionssprecher im Gemeinderat, Christian Wolf an, der selbst Altenbacher ist: Es sei das Dilemma, dass es einerseits angeblich keinen Bedarf für neue Radwege im autoaffinen Odenwald gebe – und doch schlummere hier ein Potenzial, das nicht gehoben werde, eben weil das Radeln hier zu gefährlich sei: Oft genug würde es sogar den Kindern verboten. Einen richtigen Ratschlag konnte Hermann nicht geben – außer dass man sich nicht davon abschrecken lassen sollte, aufs Rad zu steigen, und sei es für den Schulweg. Allgemein riet er den Kommunen, hier selbst aktiv zu werden.

Ein anderes Thema, das Brantner ansprach, war die komplizierte Einführung von Tempo 30 vor Schulen. Klar eine Bundesangelegenheit. Aber für eine "an den Menschen orientierte Straßenverkehrsordnung muss das Verkehrsministerium erst mal aus der Hand der CDU kommen".

Hintergrund: Die (einst) geplante Stadtbahn von Mannheim nach Schriesheim

Bereits am 4. Mai 1884 wurde die Feudenheimer Dampfbahn eröffnet, die eigentlich über Ladenburg nach Schriesheim weitergeführt werden sollte – was aber nie geschah. Sie begann am nördlichen Ende der Neckarbrücke bei Mannheim (heute "Alte Feuerwache"), endete im damals noch selbstständigen Feudenheim und wurde von der Firma Lutz und Cie sowie der Gemeinde Feudenheim geführt, dann von 1904 bis 1914 von der Stadt Mannheim. Dorthin wurde Feudenheim 1910 eingemeindet, die letzte Dampfbahn fuhr am 22. März 1914, dann wurde sie, wie alle Straßenbahnen, elektrifiziert. Als Ersatz für die nie verwirklichte Verbindung nach Schriesheim wurde 1925 von der OEG eine Omnibuslinie eingerichtet.

Die Idee einer Straßenbahn, die einerseits Ladenburg mit Mannheim und andererseits mit der Bergstraße verbindet, wurde Mitte der Neunzigerjahre wiederbelebt, weil die Römerstadt, auch wegen des ungünstig gelegenen Bahnhofs, im "ÖPNV-Loch" blieb. 1996 gab schließlich die Stadt Ladenburg eine Machbarkeitsstudie in Auftrag. In ihr wurden vier Varianten vorgestellt: ein Anschluss an die OEG-Linie in Edingen über Neckarhausen (mit Anschluss an die OEG am nördlichen Schriesheimer Ortsausgang), eine von Feudenheim direkt nach Heidelberg (ohne Anbindung Schriesheims), eine von Wallstadt nach Schriesheim (über den Rindweg) und eine ähnliche mit etwas anderer Streckenführung (über die Ladenburger Straße). Dazu wurde noch über eine Anbindung von Ilvesheim diskutiert. Das planerische Problem war damals, dass die Bahn teilweise durch enge und dicht bebaute Straßen geführt hätte.

Eine Wirtschaftlichkeitsuntersuchung aus dem Jahr 2000 kam zu dem Schluss, dass eine Linie Feudenheim-Schriesheim wirtschaftlich wäre (mit einem günstigen Nutzen-Kosten-Verhältnis von 1,68), allerdings scheiterte das Projekt aus finanziellen Gründen. Damals wurden die Kosten mit 86 Millionen Mark angegeben. Der Bundeszuschuss lag damals bei 80 Prozent. Beim Neubau der L 597 bei Ladenburg wurde unlängst extra eine Brücke gebaut, um die Option auf eine Bahn aufrechtzuerhalten. hö

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Autor: Rhein-Neckar-Zeitung