Schriesheim im Bild 2023

25.12.2021

Neues Jahrbuch zeichnet die Geschichte der Hübsch’schen Mühle nach

Neues Jahrbuch zeichnet die Geschichte der Hübsch’schen Mühle nach

Stadtarchivar Dirk Hecht mit dem neuen Jahrbuch, das für 16 Euro im Rathaus zu haben ist. Foto: Dorn
Längst verschwunden und immer noch da: Die Älteste Mühle der Stadt war ab 1919 Armenwohnhaus. Der Abriss folgte 2000.

Von Micha Hörnle

Schriesheim. Seit 20 Jahren gibt es keine Hübsch’sche Mühle mehr, und doch lebt ihr Name im 2002 eröffneten Wohn- und Geschäftskomplex am Eingang der Talstraße weiter. Im neuen Jahrbuch der Stadt, das gerade frisch herausgekommen ist, erzählt Lukas Schmidt die wechselvolle Geschichte dieses Bauwerks, das nach langen Jahren des Verfalls den Ruf eines innerstädtischen Schandflecks hatte.

Erst im letzten Jahr gab Adam Jakob Frohn in seinem Buch "Schmale Seite" einen Einblick in die Lebensverhältnisse der Mühlenbewohner. Er zeichnete darin das Leben seiner Großmutter Stefanie Daub aus ihrer eigenen Perspektive nach, die von 1931 bis 1934 hier wohnte. Zu dieser Zeit war das Gebäude ein "Gemeindehaus" für Fürsorgeempfänger, heute würde man das Sozialwohnungen nennen.

Daub wohnte damals mit ihrem schwerkranken Mann Jakob, der als Schneider erwerbsunfähig geworden war, und den Kindern in drei Räumen plus einer großen Küche – insgesamt neun Personen. Heizungen und fließend Wasser gab es damals noch nicht, die Zimmer wurden nie richtig warm, an den Fensterscheiben gab es ständig Eisblumen; man behalf sich mit Ziegelsteinen, die man aus dem Backofen in die Betten holte. Den Umzug von der Hübsch’schen Mühle in die Schmale Seite Anfang 1935 erlebte Daub als Befreiung und sozialen Aufstieg.

Die Mühle an sich ist wohl die älteste von insgesamt zwölf im Schriesheimer Tal, sie wurde bereits 1236 urkundlich erwähnt. Das Gebäude brannte häufiger ab, wurde aber immer wieder aufgebaut. Ihren Namen erhielt sie, als die Tochter des Müllers 1850 einen Hermann Hübsch aus Handschuhsheim heiratete. 1908 kaufte schließlich die damalige Gemeinde – eine Stadt wurde Schriesheim erst wieder zur 1200-Jahrfeier 1964 – das Gebäude. Doch schon damals gab es heftigen kommunalpolitischen Streit über dessen Zukunft: Es war an die Einrichtung eines Volksbads oder gemeindeeigene Wohnungen gedacht. Zu dieser Zeit konkurrierte der Gemeinderat mit dem Bürgerausschuss, der das letzte Wort in Finanzfragen hatte. Der Gemeinderat fasste am 13. Mai 1909 den Beschluss, in konkrete Umbauplanungen einzutreten und Kostenvoranschläge einzuholen. Fünf Tage später kassierte das der Bürgerausschuss, dann verpachtete die Gemeinde die Mühle wieder an einen Ludwigshafener Müller.

Im März 1914 belebte sich die Diskussion wieder: Der Gemeinderat entschied, die Mühle zu sanieren: mit neuen Wohnungen, einem Lehrsaal für Gewerbeschüler im Dachgeschoss und einem Volksbad in den ehemaligen Ställen. Der Bürgerausschuss stimmte dieses Mal zu, vertagte aber die Frage des Volksbads. Doch der Erste Weltkrieg machte alle Planungen erst einmal zunichte, die Mühle wurde an das Porphyrwerk Edelstein vermietet, das hier französische Kriegsgefangene, die im Steinbruch arbeiteten, unterbrachte. Im Februar 1919 trat wieder der Gemeinderat auf den Plan: Wegen der Wohnungsnot der Nachkriegszeit sollten in der Mühle Kleinwohnungen eingerichtet werden – für Lukas Schmidt ist das "ein Beispiel für eine frühe Form des sozialen Wohnungsbaus".

Das Ende der Mühle nahte in den neunziger Jahren. Das Gebäude war völlig heruntergewohnt und nicht mehr zu sanieren. Nach langen und heftigen Diskussionen setzte der damalige Bürgermeister Peter Riehl einen Neubau durch. Besonders viel lag ihm am Erhalt der Postfiliale – die erst unlängst, am 31. Mai, durch den Raubüberfall in die Schlagzeilen kam, der am 8. Dezember in der ZDF-Sendung "Aktenzeichen XY ... ungelöst" aufgegriffen wurde. Die Mannheimer Familienheim kaufte 1999 von der Stadt für 1,5 Millionen Mark das Gelände, am 7. Juli 2000 war der erste Spatenstich. Am 11. Mai 2002 wurde der 20 Millionen Mark teure neue Wohn- und Geschäftskomplex mit einer Nutzfläche von 3600 Quadratmetern eingeweiht.

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Am 7. Juli 2000 setzten Rüdiger Hauser (Sparkasse), Gerhard Burkhardt (Familienheim) und Bürgermeister Peter Riehl den Spatenstich für den Neubau. Foto: Dorn

Autor: Rhein-Neckar-Zeitung