Schriesheim im Bild 2023

05.01.2022

Schriesheim 2021: Das vorläufige Ende eines großen Traums

Anfang Dezember platzen die Pläne für den Umzug des "Edelstein" auf das Gärtner-Gelände. Teil 3 des Jahresrückblicks.

Von Micha Hörnle

Schriesheim. Es war so etwas wie der Super-GAU des wohl wichtigsten Stadtentwicklungsprojekts Schriesheims: Der bereits im Juli 2020 vorgestellte Umzug des maroden Seniorenheims "Edelstein" von der Talstraße auf das Gärtner-Gelände an der B 3 ist geplatzt. Hier waren rund 130 Einheiten, teils für Betreutes Wohnen, teils für die Pflege, geplant; in einem zweiten Schritt sollte das alte "Edelstein"-Gelände neu bebaut werden, am besten mit Wohnungen für junge Familien. In den Jahren zuvor waren die jeweiligen Neubaupläne des "Edelstein" wie auch von Klaus Gärtner auf seinem Gelände gescheitert.

Anfang Dezember erfuhr die RNZ, dass sich erst der Investor, die Pfälzer Baufirma Heberger zurückgezogen hatte, dann änderte "Edelstein"-Betreiber Hubertus Seidler ohne Rücksprache mit der Kommunalpolitik und dem Rathaus seine Konzeption: Da sich die Pflege nicht rechnet, sollte der neue Komplex nur aus Betreutem Wohnen bestehen. Zudem war er nicht in der wichtigen Sitzung des Gestaltungsbeirats am 2. Dezember erschienen. Daraufhin setzte das Rathaus ihm den Stuhl vor die Tür: Mit ihm werde nicht mehr verhandelt.

Offenbar sucht jetzt Grundstückseigentümer Klaus Gärtner einen anderen Investor und Betreiber für ein Altenheim auf seinem Gelände. Auch wenn es die direkten Anwohner teilweise anders sehen: In der Kommunalpolitik ist weitgehend Konsens, dass das Gärtner-Gelände ideal für eine Senioreneinrichtung ist. Allerdings reagierten die Räte auch auf die größte Sorge der Nachbarn gerade aus der Heinrich-von-Kleist-Straße, die einen höheren Parkdruck und einen Zusammenbruch des Verkehrs in ihrem Areal befürchten. Das war zumindest der Tenor der Bürgerinformation am 27. April – sie war als Videokonferenz organisiert. Daraufhin wurde von den Räten der Bau einer halbwegs großen Tiefgarage gefordert, auch die Zufahrt zum Gebäude sollte möglichst nicht allein über die schmale Heinrich-von-Kleist-Straße erfolgen, sondern auch über die B 3.

Wie der Neubau aussehen soll, ergab ein städtebaulicher Wettbewerb, an dem drei Architekturbüros teilgenommen hatten. Deren Ergebnisse wurden am 15. März präsentiert, der Siegerentwurf stammte vom Karlsruher Büro SWS. Statt eines einzigen wuchtigen Blocks zerlegte ihn der Architekt Jürgen Strolz in vier kleinere, die weniger massiv wirken. Von der Höhe her orientierte sich Strolz an der benachbarten Bebauung des OEG-Geländes. Allerdings bekam schon damals Strolz nicht alle gewünschten 110 bis 140 Wohnungen unter, sondern nur 105. Und doch galten fortan für Kommunalpolitik und Rathaus die Maße der neuen Gebäude als gesetzt, doch es wurden weitere Verbesserungen in Sachen Parken und Erschließung gefordert.

Am grundsätzlichsten war dabei die Grüne Liste, die im Oktober die bisherigen Planungen stoppen und wieder auf null setzen wollte, weil noch so viele Fragen unklar waren. Die anderen Fraktionen und das Rathaus wollten aber weiter mit Seidler verhandeln. Bis zum bitteren Ende – und das kam dann kaum sechs Wochen später.

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Ein Endlos-Drama - bisher ohne Happy End
Die Planungen für den Altenbacher Spielplatz stehen, doch getan hat sich seit Herbst immer noch nichts

Das erste Halbjahr bewegte den Ortsteil nichts so sehr wie der Spielplatz – und entsprechend heftig war die Diskussion im Ortschaftsrat. Auch wenn die wichtigsten Fragen mittlerweile geklärt sind, hat sich immer noch nichts getan. Doch der Reihe nach.

Zunächst wurden bis Jahresbeginn die Wünsche der Eltern abgefragt – um recht schnell zu erkennen, dass das Gelände in der Straße "Am Zehntberg" eigentlich viel zu klein ist. Im Raum stand immer mal wieder ein Geländetausch mit dem Anwohner, auf dessen Grundstück, zumindest in Teilen, der heutige Spielplatz jetzt schon steht und der über ihn fahren muss, um zu seiner Wiese zu kommen. Am 8. Februar stellte Planer Rolf Schwarz seine Planungen mit fünf Spielbereichen (darunter ein Baumhaus und einen Matschbereich am Bach) vor, hatte aber dabei auch 50 Quadratmeter vom Grundstück des Anwohners "überplant". Viel hing an der Frage, ob die Stadt mit dem Grundstückseigentümer nicht eine Vereinbarung erzielen konnte. Zwar gab es bereits im Herbst 2020 eine Art Abmachung in Sachen separater Zufahrt, die aber nie schriftlich fixiert wurde. Dann beschloss der Ortschaftsrat am 23. März unter dem Druck der zahlreich anwesenden Eltern, die Schwarz-Planungen als Basis für einen Spielplatz auf dem rein städtischen Teil des Grundstücks zu nehmen – selbst auf die Gefahr hin, dass der Anwohner nicht mehr auf seine Wiese käme. Die Grüne Liste und die Eltern hatten sich zwar durchgesetzt, doch die Sache mit der Zufahrt schien geradezu unauflösbar – und es stand auch eine Klage des Anwohners im Raum.

Am 11. Oktober kam schließlich die unerwartete Wende: Schwarz gelang es, fast alle Elemente seiner früheren Planungen auf dem kleinen städtischen Areal unterzubekommen. Es gab zwar Wermutstropfen wie den gestrichenen Spielbereich am Bach, höhere Mehrkosten (wegen einer Stützmauer) und die spätere Fertigstellung erst im Sommer 2021. Aber: Der Knoten, so schien es, war geplatzt; es gab erleichterten Applaus der Eltern. Allerdings blieb weiter die Frage der Zufahrt des Anwohners zu seiner Wiese ungeklärt. Das ist offenbar auch der Grund dafür, dass sich immer noch nichts getan hat – und der Wunsch der Altenbacher Kinder nach einem modernen Spielplatz geht bald in sein fünftes Jahr.

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Ein letztes Mal Stolpersteine
49 Messingplatten seit 2012 verlegt
Fünfmal – 2012, 2013, 2015, 2019 und 2021 – wurden seit dem umstrittenen Grundsatzbeschluss des Gemeinderates von 2010 Stolpersteine verlegt. Die fünfte Verlegung von insgesamt 13 Steinen am 28. Oktober war wahrscheinlich die letzte – wenn nicht noch neue Erkenntnisse über Schriesheimer NS-Opfer auftauchen. Damit gibt es im gesamten Stadtgebiet 49 Stolpersteine, und seitdem zum ersten Mal auch einen in Altenbach.

Drei der im letzten Herbst verlegten Messingplatten erinnern an Opfer der sogenannten Euthanasie, also des Massenmordes an geistig Behinderten oder psychisch Kranken: Brunnenstraße 6 in Altenbach für Adam Wilhelm Frank (1902-1940), Hofstraße 2-4 für Ludwig Thurecht (1869-1941) und Strahlenberger Straße 1 für Georg Friedrich Schönleber (1879-1941). Mit neun Stolpersteinen wird der Opfer der Judenverfolgung gedacht: Strahlenberger Straße 1 für Frieda Heidelberger (1871-1942) und Rosa Sontheimer (1877-1940), Bahnhofstraße 30 für Max (1872-1950) und Hedwig Eppsteiner (1879-1952) sowie Passein 1 für Julius (1871-1943) und Mina Fuld (1872-1959), die letzten in Schriesheim verbliebenen Juden, ihren Sohn Leopold (1900-1975), dessen Frau Irma (1902-1962) und Tochter Margot Fuld (1930-2009). Der bereits 2012 verlegte Stein für Karl Heinz Klausmann im Mainzer Land 5 wurde ersetzt, weil Professor Joachim Maier das richtige Todesdatum des Résistance-Kämpfers herausgefunden hatte: den 14. April 1945 (und nicht, wie früher angenommen, den 6. Mai 1945).

Fünf Wochen zuvor, am 23. September, waren die beiden neuen Vitrinen, die Dauerausstellung zum jüdischen Leben Schriesheims, im Rathaus eröffnet worden. Sie zeigen Gegenstände aus dem Besitz jüdischer Familien, wie ein Kochbuch mit den koscheren Speiseregeln oder "Tefillin", die Gebetsriemen und Kapseln, die der in die USA exilierte Schriesheimer Herbert Marx (1919-2016) noch bis 2005 nutzte.

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Die "Blättchen-Affäre" - ein Kommunikationsversagen
Vor allem die Vereine regten sich über schärfere Richtlinien auf.
Das war der Sommerloch-Aufreger schlechthin: die geänderten Richtlinien für das Mitteilungsblatt. Anfang August wurden sie ohne Ankündigung verschärft, was als erste die Vereine und die Kirchen spürten, als auf einmal ihre Beiträge zurückgewiesen wurden, weil sie zu lang und zu wenig sachlich-informativ seien. Die Initiative dazu ging vom Bürgermeister Hansjörg Höfer aus, der sechs Wochen später, am 22. September, im Gemeinderat zugab, weswegen er so gehandelt hatte: Er wollte nicht mehr dafür verantwortlich sein, dass der AfD-nahe "Demokratie- und Kulturverein" seine Beiträge im "Blättchen" abdruckt. Dieser Verein, dem AfD-Stadtrat Thomas Kröber vorsteht (und der sogar unlängst eine Gratis-"Zeitung" an die Haushalte verteilen ließ), wurde im Frühjahr gegründet und veröffentlicht regelmäßig Artikel im Mitteilungsblatt, die mit Schriesheim meist nichts zu tun haben und sich stattdessen mit dem rechtspopulistischen Blick auf allgemeine Gegenwartsfragen beschäftigen.

Die Vereine, die über diese Motive Höfers nicht informiert und vor vollendete Tatsachen gestellt wurden, reagierten extrem verärgert, teilweise in drastischen Worten: Wieso wird hier das Kind mit dem Bade ausgeschüttet, und wieso müssen die "unschuldigen" Vereine für die verbalen Entgleisungen des "Demokratie- und Kulturvereins" bezahlen? Die Sache kochte über Wochen weiter – zumal Höfer direkt nach dem Erlass der neuen Richtlinien in den Urlaub gefahren war und die Umsetzung dem Hauptamt überlassen hatte. Das wiederum argumentierte rein juristisch (und dabei auch korrekt): Die schärferen Richtlinien seien nötig, weil Gerichtsurteile bestätigt hätten, dass das "Blättchen" keine Konkurrenz zur Presse sein solle.

Erst setzte sich seine Stellvertreterin Fadime Tuncer kurz nach Höfers Abreise von dessen Vorgehen ab und kritisierte Höfer öffentlich (machte aber die neuen Richtlinien nicht rückgängig). Nach massiver Kritik, die sich nicht legen wollte, wollte der ganze Gemeinderat schließlich "das alte Blättchen zurück", wie damals Robert Hasenkopf (Grüne Liste) sagte. Erst über sechs Wochen nach Beginn der "Blättchen-Affäre" lud das Rathaus am 29. September zu einer Informationsveranstaltung ein, die längst überfällig war. Am Ende kehrte das Rathaus wieder zur alten, liberalen Linie in Sachen Mitteilungsblatt zurück. Allerdings müssen irgendwann die Richtlinien wohl neu gefasst werden.

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Bestattungswald ist unbedenklich

Eigentlich war der Bestattungswald bereits zur Jahresmitte 2020 grundsätzlich beschlossen worden, doch in diesem Jahr gab es ab Juni noch einmal so richtig Gegenwind. Dabei kam neben den bekannten Kritikpunkten an dieser Form des Bestattens ein bisher unbekannter Aspekt zur Sprache: Ist der Waldboden auf der Altenbacher Kipp überhaupt für die Beisetzung von Urnen geeignet? Denn bisher wusste man vor allem seit einem Gutachten von Anfang 2017, dass er besonders steinig ist, dass also die Urnen nicht einfach so 80 Zentimeter tief vergraben werden können (was wiederum das Bundesumweltamt empfiehlt). Aber wie viele Schadstoffe stecken jetzt schon im Boden, bevor die ebenfalls nicht unbelastete Menschenasche dazukommt? Und wie hoch ist der pH-Gehalt, der wichtig für den Grundwasserschutz ist? Hier empfiehlt das Bundesumweltamt, dass der einen pH-Wert zwischen 4,5 und 6 haben sollte.

Ende Juli beseitigte ein Gutachten eines Bremer Ingenieurbüros, das der Bestattungswaldbetreiber "Ruheforst" in Auftrag gab und das auf der Kipp sechs Bodenproben zog, alle Zweifel: Der Waldboden ist kaum mit Schadstoffen belastet. Und der pH-Wert liegt im Mittel bei 4,2.

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Ein Film, über den man spricht

Wolkenkuckucksheim oder großer Wurf? Die Meinungen über den Film, den die Bürgergemeinschaft (BgS) produzierte, mögen auseinandergehen, aber zum ersten Mal machte sich eine Gruppierung mit den Mitteln eines Films Gedanken, wie sich Schriesheim in den nächsten Jahren, wenn nicht Jahrzehnten entwickeln könnte. Zentrale Punkte in den Film sind: der Ausbau des Römerstraßen-Kindergartens, die Verlegung der Kriegsopfergedenkstätte an den Rathausvorplatz und dessen Umwidmung zu einem "Bürgerpark", der Neubau des Feuerwehrhauses am nördlichen Ortseingang (eventuell mit der Rettungswache) sowie die Umnutzung des alten Gerätehauses als weiteren Innenstadt-Kindergarten. Auch wenn sicher nicht alle Ideen auf Herz und Nieren durchgerechnet oder geprüft wurden – so ist die Fläche an der Tunnelzufahrt wohl zu klein für ein Feuerwehrhaus –, löste der 27-minütige Streifen bei seiner Premiere Anfang Oktober im "Hannes Hofcafé" doch erst einmal muntere Debatten aus.

Aber mehr wollten Liselore Breitenreicher und Hilmar Frey, der den Film – er ist jetzt auch auf Youtube zu sehen – gedreht und geschnitten hatte, auch gar nicht: Er ist als Diskussionsbeitrag gedacht.

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Autor: Rhein-Neckar-Zeitung