Schriesheim im Bild 2023

10.03.2005

Selbst die Mohrenköpfe froren ein

Wie das Wetter den Schaustellern beim Mathaisemarkt das erste Wochenende verdirbt

Wahre Rummelfreunde kennen kein schlechtes Wetter: Aber auch die Fahrgeschäft-Attraktion "Shake" war nicht ausgelastet. Foto: Kreutzer

Schriesheim. (kaz) Schon seit 50 Jahren steht Ursel Lederer mit ihrem Süßwarenstand auf dem Mathaisemarkt. Aber an so ein schlechtes Wetter wie dieses Jahr am ersten Festwochenende kann sie sich nicht erinnern. Mit Handschuhen, die die Fingerkuppen frei lassen, bedient sie die Kundschaft - wenn sie denn kommt. Der erste Sonntag versprach meistens ein gutes Geschäft. Am 6. März machten sich die Menschen nach dem Umzug ihrer Schilderung nach allerdings fluchtartig auf den Heimweg - "weil sie kalte Füße gehabt haben."
Nicht die Zeit für Miniventilatoren

Derweil gefrieren am Stand von Ursel Lederer sogar die Mohrenköpfe und schmecken beim Reinbeißen vor Ort ziemlich zäh. Da kann sie nur den Rat geben: "Nehmen Sie sie mit nach Hause. Nach dem Auftauen sind sie wieder frisch". Gleiches gilt für die Behälter mit der Flüssigkeit für Seifenblasen. Nichts geht mehr ohne häusliche Wärmezufuhr. Den mit Süßem gefüllten Mini-Ventilator hat sie bis Montag um die Mittagszeit gerade zwei Mal verkauft. Er passt einfach nicht zur verschneiten Saison. Mit Lebkuchen und gebrannten Mandeln lässt sich da schon eher ein Geschäft machen. Und doch: Ursel Lederer hat sich ihr Lachen bewahrt. Das ist vielleicht das beste Verkaufsrezept in schweren Zeiten. Auch Thilo Olnhausen aus Speyer, der seit sieben Jahren mit einem Crêpes-Stand in der Region unterwegs ist, merkt man an, dass er seinen Beruf trotz aller Widrigkeiten liebt.

Der Spross einer Schaustellerfamilie hat sogar die Variation mit frischen Erdbeeren und Vanillecreme im Sortiment. Am Sonntag lief sein Geschäft ebenfalls nur schleppend. Sein Klientel sind vor allem Familien mit Kindern. Doch die Kleinen hielten es bei Kälte und eisigem Wind nicht lange aus.

Den Schaustellern, die große Fahrgeschäfte aufgebaut haben, geht es, wie er sagt, aber noch schlechter. Nach seinen Beobachtungen hält sich der Ansturm vor der Berg- und Talbahn, die er von seinem Stand aus im Blick hat, doch sehr in Grenzen. Von einigen Gästen, die ins Riesenrad stiegen, hörte er: "Es war schön, aber kalt." Das Riesenrad ist ja eher was Gemütliches und überdacht.

Ebenso das Karussell, in dem sich die Fahrgäste wie in einem Heißluftballon fühlen können. Doch wer will sich bei den Temperaturen schon im "Shake" durchwirbeln lassen? Da steht doch eher ein Besuch im Mäuse-Miniland an, das ebenfalls auf dem Festplatz präsent ist. Und Lose zum Stückpreis von 20 Cent kaufen wäre auch drin. Etwa, wenn man Punkte für "Schnappi" in Lebensgröße sammeln will. Standbetreiber Georg Löwenthal berichtet von geringem Umsatz und hoher Standmiete. Für zehn Tage zahlt er seinen Worten nach 1800 Euro und meint, das sei zuviel. Dem hält Marktmeister Fritz Haas entgegen: "Die Preise sind angepasst." Was fehlt, sei "das Publikum aus dem Odenwald", das sich offenbar wegen widriger Straßenverhältnisse nicht an die Bergstraße wagen will. Doch er weiß: Abgerechnet wird nächste Woche. Da ist er selbst betroffen. Schließlich betreibt die Familie Haas den "Autoscooter". Haas sagt übrigens, er habe vor etwa drei Jahrzehnten einen Mathaisemarkt bei minus 20 Grad erlebt.
"Wer soll das bezahlen..."

Mal wieder fegt ein eisiger Wind über den Platz als Rita Schreiber in der Küche ihres Imbiss-Wagens arbeitet. Sie ist seit über 20 Jahren vor Ort und kann unter anderem auf Stammkundschaft zählen. Und doch: Am Sonntag blieb auch diese zum Großteil aus. Doch die Standbetreiberin kann verstehen, dass niemand allzu gern mit klammen Fingern aus der Hand isst. Ihre Gebäckteilchen gibt's natürlich auch zum Mitnehmen. Bereits am Samstagabend kam es über dem Matthaisemarkt zu einem heftigen Schneegestöber. Dennoch war viel jugendliches Publikum unterwegs. Nur versorgt sich dieses ja nach wie vor gern mit Mitgebrachtem.

"Da rennst du rum und verkaufst nichts", jammert ein Großhändler aus Leimen, der gerne für Nachschub an jenen Ständen sorgen würde, an denen es Plüschtiere und dergleichen zu gewinnen gibt. Doch die Schausteller haben momentan keinen Bedarf. Derweil läuft im Festzelt gerade die Schunkelrunde. "Wer soll das bezahlen, wer hat das bestellt..." tönt es von dort. Da kann man sich wirklich fragen, wer mal einen Hauch von Frühling für den Mathaisemarkt ordert.

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Autor: Rhein-Neckar-Zeitung