Schriesheim im Bild 2023

02.05.2005

"Müntes" Jünger

Auch auf der Mannswiese erklang unverhohlene Kapitalismuskritik
Der Bundestagsabgeordnete Lothar Binding (im Anzug) rechnete bei der Maikundgebung der Schriesheimer SPD mit deutschen Managern ab. Foto: Kreutzer

Schriesheim. (pak) Wenn Franz Müntefering nicht Parteichef der SPD wäre, er sollte als Dramaturg zum Theater gehen. Mit seiner kürzlich vorgetragenen Kapitalismuskritik hat "Münte" rechtzeitig zum "Tag der Arbeit" seinen Genossen landauf und landab das Thema geliefert: "Genosse, auf die Bosse!"

Das war gestern bei der traditionellen Maifeier der Schriesheimer SPD bei den Naturfreunden auf der Mannswiese natürlich nicht anders. Während Hunderte von Menschen um das Naturfreundehaus bei Bier, Bratwurst und jungsozialistischen Kinderspielen die Seele baumeln ließen, stimmten erst die Schriesheimer SPD-Chefin Irmgard Mohr und dann Bundestagsabgeordneter Lothar Binding ihrem Parteichef zu. Die SPD hat endlich mal wieder ein Thema, das ankommt.

Binding, trotz der Hitze im schicken schwarzen Anzug, rechnete aus seinem Berliner Finanzausschuss sogar genüsslich ausführlich vor, wie es ein deutscher Manager schafft, mit den Möglichkeiten des internationalen Finanzmarktes Millionär zu werden ohne Steuern zu zahlen und dabei noch Entlassungen in seiner Firma vorzunehmen. "Wir können uns ja gar nicht vorstellen, was in so einem Managerkopf vorgeht", frotzelte der Abgeordnete. Übrigens lauschten die Mannswiesen-Gäste sehr konzentriert, was in den letzten Jahren nicht immer der Fall war. "Müntes" Thema scheint die Menschen doch zu packen. Deshalb seien die Denkanstöße Münteferings richtig gewesen. Denn Gesetze, so Binding, greifen nicht in einem "so verantwortungslosen Umfeld". Nur der Druck aus der Politik und der Bevölkerung könne dabei zum Umdenken zwingen.

Denn die deutsche Regierungspolitik der letzten Jahre habe doch funktioniert, betonte der MdB. Die Leistung der deutschen Arbeitnehmer sei so hoch wie schon lange nicht mehr, der Außenhandelsüberschuss sei riesig und die Unternehmergewinne gigantisch. Jetzt sei es endlich an der Zeit, dass die Unternehmer ihrer Verantwortung gerecht werden, forderte Binding. Natürlich durfte die mittlerweile zu trauriger Berühmtheit gelangte Deutsche Bank nicht verschwiegen werden. "Ein Armutszeugnis", schimpfte der Abgeordnete.

Ähnlich äußerte sich auch Irmgard Mohr. Rund fünf Millionen Arbeitslose am Tag der Arbeit seien nämlich überhaupt kein Grund zu Feiern, bedauerte sie. Auch sie kritisierte die Verantwortungslosigkeit mancher Groß-Unternehmer, die nur "pure Gewinnmaximierung im Kopf haben, statt den Menschen in den Mittelpunkt zu stellen". Sie erinnerte sogar an das Grundgesetz, in dem privates Eigentum als Verpflichtung gegenüber der Gesellschaft definiert wird. "Es muss dem Wohle der Allgemeinheit dienen", forderte sie. Nach dem SPD-Lied, war die Ortsvereinschefin dann beruhigt: "Trotz Windstille hat sich die rote Fahne bewegt."

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Autor: Rhein-Neckar-Zeitung